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Category Archives: Es geht den Bach runter

Zum-Haare-raufende Entwicklungen unserer Gesellschaft

Ekelhaaf!

Wie so ein Tag aussehen könnte, an dem man Sentinel-Kaspar-Hauser-mäßig alles um sich herum so dolle wahrnimmt, dass man kurz davor ist, Plaque zu kriegen:

Für die ehrenvolle Aufgabe, eine Abschlussarbeit zu verfassen, sucht man dann doch häufiger die Bibliothek auf. Ich könnte auch zu Hause wunderbar arbeiten, wenn da nicht die Frau mit der Raucherstimme wär , die unten im Hof immer ihren Köter zur Raison bringt. Oder der Typ, der mir nichts dir nichts mit seiner Anlage den kompletten Komplex mit Punkrock beschallt. Also lieber der deprimierende Nachkriegsbau von Bibliothek, in dem die Zeit still zu stehen scheint.

Die schönsten Plätze dort sind die ohne Nachbarn. Dauert nur nicht lange, bis der erste sich links neben mir den Tisch krallt. Er knallt sein Netzteil auf den Tisch, lässt sich ächzend auf dem Stuhl nieder und knistert gefühlte fünftausend Jahre in seiner kack Tüte rum. Knister Knister Raschel Knister. So viele Bücher passen da gar nicht rein, so lange, wie der da drin rumfummelt. Ich bin leicht gereizt. Jetzt schon. Dann packt er sich seine Wasserflasche und nimmt ein Schluck aus der Pulle. Denk ich. Aber scheinbar hat der Herr seit ner Woche keine Flüssigkeit mehr zu sich genommen. Wie ein ausgedorrte Pflanze, in die man immer weiter Wasser reinkippt in der Hoffnung, dass die sich schon wieder berappelt, wenn man nur nicht aufhört, die förmlich zu ertränken, schüttet er sich lautstark sein Getränk hinter die Binde. Schluck schluck schluck. Ich kann mich auf nix anderes mehr konzentrieren als auf den überstreckten Hals neben mir, der das wahrscheinlich extra macht, wie in dieser Cola light Werbung mit dem sexy Bauarbeiter-Model. Ich hätte nie gedacht, dass mich Schluckgeräusche so dermaßen anwidern können. Leider stellt sich raus, dass der Typ nicht nur laut trinkt, sondern auch zur Gruppe der Tastatur-Vergewaltiger gehört. Der drischt auf seine Tasten ein, dass mir sein Laptop leidtut. Das kann ich erst recht nicht leiden. Ich leg ne Pause ein, bis der sich beruhigt hat.

Gerade sitze ich wieder an meinem Platz, lässt sich jemand zu meiner Rechten nieder. Was hat der in der Hand? Ne Pulle voll mit Cassisschorlenplörre ausm Discounter. Während er auf facebook routiniert sein Profil pflegt und seine Likes abarbeitet, nimmt er immer mal wieder einen beherzten Schluck. Und so LAUT! Man, warum so laut? Und warum immer wieder in fast regelmäßigen Abständen riesige ohrenbetäubende Schlücke? Ich würde dem so gern sein Zuckergesöff in die Tastatur kippen. Ich mache ja eh nur noch eine halbe Stunde, denk ich, ruhig Blut.

Also raus aus der Bib, rein in die S-Bahn. Rein in die 50 Grad-Schweiß-Hölle, in der alle so apathisch auf ihren Sitzen kleben, dass scheinbar keiner mehr merkt, dass so ein Waggon Fenster besitzt. Man muss sie nur aufmachen. Extra umständlich öffne ich eins jener Fenster, und ich glaube, einige von den Zombies lassen durch ihre Höhlenaugen so etwas wie Anerkennung und Dankbarkeit durchblitzen. Bis eine Station später jemand einsteigt, und ohne mit der Wimper zu zucken das einzige Fenster schließt, was die Leute davor bewahrt, den Hitze- und Erstickungstod zu erleiden. Ich kann das irgendwie nicht ganz fassen. Was in so jemandem vorgeht…!?

Ich versuche mich, in meine eigene Welt zurückzuziehen, weil ich so viel panne Honkitonks nicht mehr ertragen kann. Und fahre drei Stationen zu weit.

 

Unseren täglichen Fraß gib uns heute

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Als Kind hab ich sie geliebt, die prickelnden Limonaden in den verschiedensten Geschmacksrichtungen, die ich zu den Ferienspielen mitnehmen durfte. Die konnten gar nicht künstlich-chemisch genug schmecken. Hauptsache glitschig süß. Sylvester und Geburtstage machten auch deshalb so viel Spaß, weil sie kulinarischen Ausnahmezustand bedeuteten. Später dann rückten diverse Fast-Food-Ketten in meinen Begierde-Fokus. Die kleinstädtische Sozialisation führte eben auch dazu, dass Ausflüge in die Schnellrestaurants der Großstadt zum nachmittäglichen Highlight avancierten. Wofür ältere Freunde mit Führerschein so alles gut waren früher. „Ey, Bock zu Mcess zu fahren?“ -“Kloar! Wann biste hier?“

Auch in Ländern, in denen es massenhaft geiles Essen gibt, kommt man nicht drum herum

Auch in Ländern, in denen es massenhaft geiles Essen gibt, kommt man nicht drum herum

Im Nachhinein betrachtet halte ich es meinen Eltern jedenfalls zu Gute, dass derartige Exkurse in die Welt der Plastikernährung die Ausnahme geblieben sind, quasi Kollateralschäden eines Mittelwegs zwischen Verbot und Laissez-faire. Zwar kann ich nicht behaupten, dass die Kochkünste meiner Mutter immer eine geschmackliche Erleuchtung gewesen sind, wenn ich aber daran denke, wie einer meiner damaligen Mitschüler regelmäßig seinen aus Schokoriegel und Brause bestehenden Pausensnack auspackte, dann bin ich schon für den Versuch dankbar. Klar, es umgab uns alle irgendwie auch der Neid beim Anblick von den süßen Sachen, aber wenn es sein musste, dann wurde halt mal ein bisschen Taschengeld geopfert für ein Snickers vom Büdchen. Schließlich waren wir Kinder, was bedeutet, dass der- oder diejenige mit dem Frischkäse-Radieschen-Schwarzbrot aus der Tupperdose es nicht unbedingt immer leicht hatte. Zwischenmenschlich gesehen. Aber irgendwann werden wir alle älter, und man sieht ein, dass der selbstverständliche Umgang mit auf Dauer schädlichen Lebensmitteln nunmal eine Pfadabhängigkeit schafft, die nicht mehr so leicht rückgängig zu machen ist.

Zum Glück wurde ich nie mit absoluten Verboten maltretiert, denn dadurch hätten die verbannten Früchte aus der Convenient-Welt erst Recht an Strahlkraft zugenommen, schätze ich. Das ist aber auch so ziemlich die einzige Weisheit in Bezug auf die Ernährung von Kindern, derer ich mir glaube, sicher zu sein. Dazu nehmen junge Erwachsene auch viel zu häufig ein ausgeprägtes Reaktanzverhalten ein, um sich möglichst weit von den Einstellungen und Verhaltensweisen der eigenen Eltern zu distanzieren. Dieser Graben wird wohl umso geringer, umso mehr sich die Erziehung in der Mitte zwischen diktatorischem Zwang und völliger Gleichgültigkeit ansiedelt.

Trotzdem ist die Unsicherheit darüber, was gesund ist und was nicht, wo ein Auge zugedrückt werden kann und wo lieber nicht, enorm. Vor allem, wenn einem die Werbung vorgaukelt, ihr Produkt sei durch „extra Calcium“ super für das Wachstum und die Extra-Portion Vitamin C mache das angepriesene Getränk zum unverzichtbaren Bestandteil einer verantwortungsvollen Ernährung. Man könnte sich natürlich auch auf die anderen Zutaten konzentrieren: „Mit 50% Zuckeranteil. Damit ihrem Sohnemann schon bald die Zähne abfaulen.“ Oder: „Diabetes leicht gemacht!“ Oder: „Mit reichlich Konservierungsstoffen, deren Auswirkungen wir nicht kennen.“

echte Früchte!

echte Früchte!

Dabei wird Eltern auch noch zusätzlich das Leben schwer gemacht, indem Unternehmen gezielt bei Kindern für ihre süße Plörre werben. Nicht nur sind Kinder für solche Manipulationsversuche besonders empfänglich, sie finden zudem nunmal Nahrungsmittel umso toller, je süßer sie sind. Wehe, jemand kam beim St.-Martins-Umzug auf die Idee, als Belohnung für meine schicke Laterne und hochklassige Gesangsperformance Mandarinen in meine Tüten zu packen. Wie doof war das denn?! Süßkram musste es sein. Da lasse ich mir natürlich auch gerne einreden, dass das zusätzlich gesund sein soll. Mama und Papa bleibt da nur die Rolle des Spaßverderbers: „Nein, jetzt nicht! Nein, das ist ungesund! Nein, es gab doch erst gestern Schokolade!“ Na und?!

Achso, vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich (noch) gar keine Kinder habe, aber ich stelle mir das schon fies vor. Das heißt nicht, dass den Erziehungsberechtigten die Verantwortung abgenommen werden soll, ihre Schützlinge auf die Tücken der (Ernährungs-)Welt vorzubereiten, aber mit weniger dreisten Ablenkungsmanövern und Störfeuern durch die Lebensmittelindustrie wäre es durchaus leichter.

Heute koche übrigens ich für meine Eltern, wenn ich zu Besuch in der alten Heimat bin. Dabei schnapp ich mir meistens erstmal die ganzen eingefrorenen Reste aus dem Tiefkühler (einfrieren ist in dieser Generation ein Hobby, oder?!) und improvisiere. Anfänglich sorgte es noch für Verwirrung, wenn ich die Gewürzmühle auf den Tisch gestellt und mehr als 4 Zutaten im Essen verarbeitet habe, aber mittlerweile entfalten sich auch für meine Eltern neue Geschmackswelten jenseits von zu Brei gekochten ungesalzenen Nudeln und tiefgekühltem Frühlingsgemüsemix. Aber hey, da waren immerhin jene Nährstoffe drin, die ich zum Spielen benötigte und die ich nicht bekommen hätte, wenn ich mir für 5 Mark was geholt hätte. Das wäre wahrscheinlich ziemlicher Scheißdreck gewesen. Und Scheißdreck sollte die Ausnahme bleiben.

Vom Ökotum und Kampfradlern

Ich fahre mal wieder nachts mit der letzten S25 nach Hause. Ich dachte ja, die gehören nicht zusammen, im Gegenteil, dass die zotteligen Jungs in ihrem Viererabteil den buntfrisierten Mädels gegenüber irgendwie blöd kommen oder so. Aber scheinbar kennen die sich und möglicherweise geht es um eine bestimmte Band, zumindest meine ich das aus folgendem Dialog heraushören zu können.

Bursche: „Ey, was machen die denn für Mucke?“

Mädel: „So Öko-Hippie-Metal.“

Bursche: „Und welche politische Ausrichtung haben die?“

Mädel: „Hm… Öko halt!

Ich denk sofort: „Is die blöd, alda. Links oder rechts?!“ Und dann mach ich mir Gedanken, wo sich „Öko“ denn so ansiedelt im politischen Kontinuum. Klar, man könnte meinen, öko is gleich grün, also irgendwie links. Aber gleichzeitig doch mittlerweile auch total bürgerlich, überall öko und bio, wo man nur hinschaut. Und dann gibt’s da auch noch die Rechten, die aufm Land nach orientierungslosen Jugendlichen fischen und die genmanipulierten Mais in ihrer geisteskranken Logik gleichsetzen mit der Vergiftung des reinen Volkskörpers. Öko kann alles sein. Begriffe sind dazu da, um ihnen im Kontext der eigenen Perspektive neue Bedeutung zu geben.

Ich dachte auch immer, Radeln sei ne spitzenmäßige Sache. Als überzeugter Radfahrer hab ich mir eingebildet, die Umwelt zu entlasten, die Stadt ein bisschen weniger zu verstopfen und den Aggressionen zu entkommen, die irgendwie zwangsläufig jeden Autofahrer und jede Autofahrerin im Stadtverkehr irgendwann ereilen muss. Wir sind die Guten, hab ich immer gedacht.

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Zack Bäng, nix da! „Kampfradler“ alle miteinander! Fußgänger fürchten um ihr Leben, wenn die Rabauken wie die tasmanischen Teufel über die Bürgersteige fetzen. Wenn ich so vom gemeinen „Kampfradler“ höre oder lese, stell ich mir immer kriegsbemalte Durchgeknallte vor, die so braveheart-gladiator-mäßig nichts mehr zu verlieren haben, und mit ihrem panzerartigen Gerät á la Platz des himmlichen Friedens von hinten wehrlose Fußgängerzwerge überrollen. Und dann hinterher brüllen: „Pass doch auuuuf, du!“, um anschließend ihren Pfad der Zerstörung unter Gejohle fortzusetzen. Wenn du die Klingel hörst, ist es schon zu spät und du wirst gnadenlos niedergemäht.

Letztens erst wär ich fast in die Fahrertür eines parkenden Autos gekracht, die so ein Otto achtlos aufgerissen hatte, als ich gerade vorbeiradeln wollte. Die Schuld ist selbstverständlich beim Kampfradler zu suchen, worauf er mich auch dankbarerweise entschlossen hinweist: „Guck doch, wo du hinfährst!“ Ja klar, ich muss mich entschuldigen, denn natürlich schau ich ab sofort vor jedem Auto, das ich passieren will, ob nicht zufälligerweise jemand gerade in dem Moment aussteigen will. Ich rücksichtsloser Halunke, ich. Aber gut, er macht ja im Grunde nur von der Grundregel Nr. 1 des Straßenverkehrs Gebrauch: Schuld sind immer die Anderen.

Jedenfalls weiß ich neuerdings: Radfahrer sind auch böse und öko ist irgendwie alles. Wieder eine Graustufe mehr in meiner Welt, die ich doch so gern schwarz-weiß hätte.

Exklusiv: Armutsbericht inkontinent

Der Armutsbericht rotiert ja bekanntlich noch solange durch die „Ressortabstimmung“ unserer geheiligten Führer, bis er sich flockig liest. Ich weiß aber schon, was drin steht. Ich leake. Es läuft so richtig flüssig raus aus mir, es spritzt schon fast aus allen Nähten. Eigentlich weiß ja eh jeder, wie gut es uns allen „Schlechtrednern“ geht, obwohl einem die Realität geradezu permanent gegenteiliges in die Fresse klatscht.

Wir reden uns doch nur arm! In Afrika is man arm. Hier nich. Weil ich meinen Lebensstandard natürlich nicht mit dem meines Nachbarn vergleiche, sondern mit dem eines Wellblechhüttenbewohners in Somalia. Im Gegensatz zu dem geht’s mir doch gut. Wasn Glück. Und ich beschwer mich auch noch. Darf ich bitte bitte für 5 Euro brutto einer mir nicht vertrauten Arbeit in 100km Entfernung nachgehen müssen, da mir sonst Sanktionen drohen? „Jeder, der arbeiten will, findet auch Arbeit.“ Ich würde voll gerne über eine Leiharbeitsfirma angestellt sein, so dass man mich jederzeit rausschmeißen kann, wenn ich nicht pariere. So rechtlos wie die Amazon-Schergen, das wär ein Traum.

Dass Reichtum immer ungleicher verteilt ist, ist nun wirklich ein alter Hut. „Die Reichen werden immer reicher“. Gähn! Dieser Neid immer und überall. Die Reichen halten unsere Wirtschaft am laufen. Sollen die sich mal die Hälfte des Gesamtvermögens aufteilen. Gepriesen sei das Leistungsprinzip! Wer putzt oder Haare schneidet, ist Mensch 2. Klasse. Völlig zurecht. Wir dürfen nicht den Fehler machen und höhere Löhne zahlen, denn das würde unsere Wettbewerbsfähigkeit mindern und das sollte unser gesamtgesellschaftliches Ziel sein. „Exportweltmeister“ hört sich doch schonmal geil an, aber „Lohnzurückhaltung“ wäre für das masochistische deutsche Arbeitstier eine Auszeichnung, huiuiui. Ich will ne Plakette mit Silberband und Gravur: „Ich werde scheiße bezahlt und kann kein Geld für mich arbeiten lassen. Liebt mich!“

Die Lösung ist auf jeden Fall klar: Nicht Arbeit besser entlohnen, sondern Sozialleistungen kürzen, damit die ganzen armen Schweine noch mehr gedemütigt werden, weil sie noch nicht weit genug am Rand unserer Gesellschaft stehen. Die ham eh alle keinen Bock, vor allem nicht die Schmarotzer von außerhalb, die in unsere stolze Nation, für die wir nix können, einfallen und uns die Butter vom Brot abkratzen. Es ist wichtig, dass wir den Fokus auf die Verlierer lenken und da weiterhin immer schön draufschlagen, damit ja keiner auf die Idee kommt, dass der niemals zuvor dermaßen groß gewesene Reichtum ja irgendwo angehäuft sein muss.

Obwohl nein: Halt Stopp! Es ist ja „Krise“. Und in der Krise müssen wir alle “den Gürtel enger schnallen”. So eng, dass wir uns die eigenen Eingeweide rausquetschen und das auch noch gerne tun, weil wir schließlich einsehen müssen, dass „wir über unsere Verhältnisse gelebt haben“. Und „zulasten kommender Generationen“. Ich glaube zwar kaum, dass Äckermäns Kinder und Kindeskinder Not leiden müssen, aber wenn man nur oft genug behauptet, dass Geld verschwindet, wenn man es ausgibt, plappern es schon bald alle nach.

Wie lange geht diese sogenannte Krise eigentlich noch? So lange, bis der Arbeitsmarkt ein einziger Niedriglohnsektor ist? Uhh ja, ein feuchter Traum würde wahr werden. So würden wir jedenfalls „gestärkt aus der Krise hervorgehen“, ein Ziel, auf das wir uns alle was einbilden können, während die Menschen in den Peripherieländern schon jetz im Müll nach Essbarem wühlen. Zum Glück kommt das hier erst bissl später, puh!

Wir haben kein Armutsproblem. Wir dürfen keins haben. Verfüttern wir einfach Pferdefleisch-Lasagnen an Hilfsbedürftige. Wer sich dafür zu schade ist, kann auch nicht arm sein.

*Ironie: OFF*

gefunden bei Stuttmann Karikaturen.

Das Ding mit der Ironie

 Ich komm mal wieder mehr unter Leute. Und lege mir dabei ganz nebenbei Hausmannskills zu. Das macht mich zwar zur Lachnummer bei einigen meiner Freunde, aber dafür mutiere ich zum Traum aller Schwiegermütter. Seit einiger Zeit wohne ich einem Nähkurs der Volkshochschule bei. Wie erwartet als einziger Mann in der Runde. So richtig ernst genommen scheine ich nicht zu werden, aber die Bemerkung der Kursleiterin: „Ah, wir hatten schonmal einen Mann im Kurs, der ließ sich nach der ersten Stunde nie wieder blicken“ spornt mich nur an. Obwohl ich glaube, ich sei eine viertel Stunde zu früh dran, komme ich zur ersten Sitzung ne viertel Stunde zu spät. Ich bin sogar extra noch um den trostlosen Block spaziert, um Zeit totzuschlagen, weil ich so früh dran zu sein glaubte (Hä? Macht diese Grammatik Sinn?). Geil, einmal im Leben pünktlich sein, dachte ich, während ich durch die uninteressante Gegend laufe. Fail!

Jedenfalls komm ich da rein, und alle sitzen vor ihren Nähmaschinen und sind fleißig irgendwas am machen. Scheinbar haben alle schon Visionen von Abendrobe, Bettwäsche und Jutebeuteln. Ich hingegen dachte, man lernt da die Basics des Schneiderns und Nähens. Schließlich bin ich blutiger Anfänger, noch nicht mal nen Knopf hab ich jemals angenäht. Ich glaub zwar, dass ich das könnte. Aber ich habs halt noch nie gemacht. Und die sitzen da alle mit ihren Ikea-Starterpaketen und fummeln an irgendwas rum. Ich nehme mir auch ne Maschine aus dem Schrank und schaffe es zumindest, den Stecker in die Steckdose zu stecken (3x „stecken“ in einem einzigen Nebensatz. Brilliant!).

Die Kursleiterin erbarmt sich meiner, fädelt mir den Faden ein, den ich übrigens selber mitgebracht habe (ich bin nicht völlig unvorbereitet!) und gibt mir nen Fetzen, auf dem ich rumnähen darf. So stell ich mir ein bisschen die Bastelstunde im Haus Lebenshilfe vor, aber ok, jeder fängt mal klein an. Ich näh so ein bisschen unmotiviert auf dem Lappen rum und stelle mit einem Blick nach rechts fest, dass ich damit schon zu den Fortgeschrittenen gehöre. Denn die äußerst hübsche Teilnehmerin zu meiner rechten (Danke Gott, nicht nur Muttchen in dem Kurs!) hat große Einfädelprobleme, so dass ich gleich in die Lehrerrolle schlüpfe und ihr dank meines fotografischen Gedächtnisses den Faden durch das Gerät pule (klingt irgendwie wie eine Metapher für irgendwelchen Schweinkram. Isses aber nich!). Bähm, von jetz an soll es bergauf gehen!

Naja, nicht unbedingt stetig bergauf, es gibt auch Rückschläge zu verkraften. Die Hoffnung, dass ich für die kommenden Sitzungen ne nette Gesprächspartnerin in meinem Alter habe, die ähnlich hilflos vor den unbegrenzten Möglichkeiten der Näh- und Schneiderwelt kapituliert, wird nämlich auf dem Heimweg jäh zerstört. Wofür ich mich leider selbst verantwortlich zeichnen muss. Wir plaudern nett, alles cool, und wir kommen dahin, wie und warum wir eigentlich in dem Kurs gelandet sind. Ich sage mit ironischem Unterton (der ihr verborgen bleiben soll): „Ich bin nur hier, um zu baggern.“ Ich fand das witziger als sie, glaub ich. Jedenfalls machen sich gleich Stalker-Paranoia bei ihr breit. Wir müssen beide zur gleichen Station fahren, und als ich als ortskundiger Mensch versuche, einzugrenzen, wo sie wohnt, zieht sich bei ihr alles zusammen und sie stammelt sowas wie: „Äh, ich muss ja jetz nich alles preisgeben, ne…“ Nö, natürlich nicht. Ich bin selbst ein großer Fan von Privatsphäre. Aber zu glauben, ich sei irgendein kranker Spinner. Trifft! Mitten ins Herz! Mir war auch nie bewusst, dass ich überhaupt auch nur ansatzweise so einen Eindruck vermitteln könnte. Vielleicht hat sie aber ja auch miese Erfahrungen mit so Null-Acht-Fuffzehn-Typen wie mir gemacht. Naja, jedenfalls sucht sie sich seitdem im Kurs immer dort einen Platz, der keinen weiteren Nachbarn zulässt. Eingerahmt von harmlosen Fräuleins oder am Rand. Was lerne ich daraus? Lass das mit der Ironie lieber bleiben! Rafft nich jeder.

Jedenfalls war klar: Ohne konkretes Projekt bin ich in dem Kurs verloren. Das kleine Einmaleins des Nähens und Schneiderns wird uns jedenfalls nicht beigebracht. Das hat schon eine weitere Person in dem Kurs zur Aufgabe bewegt. Im Gespräch mit der Kursleiterin kam ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck. „Ich dachte, Sie bringen uns irgendwie Grundregeln bei. Ich bin nämlich blutige Anfängerin, wissen Sie!?“ Ich glaub, die wollte das studieren oder so. „Nee, so hab ich den Kurs eigentlich nicht konzipiert. Ihr sollt euch was überlegen und ich helf euch dabei. Ich hab das Gefühl, das macht mehr Sinn.“ – „Aha.“ Und sie ward nie wieder gesehen.

In der zweiten Stunde hab ich mich also daran gemacht, während die anderen fleißig ihre zukünftigen Kissenbezüge misshandelten, mir ne Strickjacke umzunähen. Zack! Am Ende war das Ding fertig, ich äußerst zufrieden mit meinem Werk, und die anderen hochgradig neidisch auf meinen Output. Den hab ichs ja wohl gezeigt, oder?! Nee, aber die sind auch echt alle voll nett da. No hate, no bad feelings! Ich kann sowas einfach: Abtauchen in die Welt des Kleinbürgertums und gemocht werden von seinen BewohnerInnen. Solange ich die Ironie zu Hause lasse.

Wenn ich ahnungslos wäre

Manchmal wär ich gern in meiner kleinen Welt. Hier blende ich alles aus, was mich nicht interessiert und wo alles so funktioniert, wie ich mir das zurecht lege. Dinge wie Treibhauseffekt, EU-Bio-Siegel oder Gazastreifen spielen hier keine Rolle. Dummheit und Unwissenheit, das wär mal was. Zu glauben, alles sei ne Wolke. Ich kauf mein billiges Antibiotika-Fleisch beim Discounter, lese die Bild, und bin ein unwichtiges Angestelltenglied bei einer Investmentbank. Mich kümmern Käfighühner mit gebrochenen Beinen genauso wenig wie Minderheitenhetze in buntem Toilettenpapier oder Spekulationen auf Nahrungsmittel.

Hauptsache, ich muss mich nicht mit Dingen belasten, die ich ja doch nicht ändern kann. Die guck ich mir höchstens von meiner Couch aus an, wenn ich die Tagesschau einschalte. Was da gezeigt wird, glaube ich. Und die mir unterschwellig eingebläute Meinung übernehme ich auch. Aber eigentlich reicht es mir schon, wenn ich mich über die lächerliche Frisur des Auslandskorrespondenten lustig machen kann.

Ich kümmere mich um die Geranien auf meinem Balkon und schneide den herrlich blühenden Ast, der von meinem törichten Nachbarn herüberlugt ab, weil das mein Grundstück ist und der das bestimmt aus Bösartigkeit macht. Soll der nur kommen, dem erzähl ich was. Z.B. dass ich das Gekläffe von seinem kleinen Fiffi in den frühen Morgenstunden längst dem Vermieter gepetzt habe. Lange verpestet die Töle unsere ansonsten vorzüglich riechende Luft im Hausflur nicht mehr.

Ich muss aber auch noch schnell zu Kik, mein Spannbetttuch reklamieren, das ist nämlich völliger Müll, zerreißt schon vom bloßen Angucken. Konnte ich beim Preis von 2,99 € ja nicht ahnen, dass solche Minderware von modernen Kindersklaven in Bangladesh zusammengeklebt wird. Na, die Verkäuferin wird was zu hören bekommen, mir sowas zu verkaufen. Wird doch ausgezeichnet dafür bezahlt, der Ramschbude einen halbwegs menschlichen Anstrich zu verleihen, bevor sie dann am Abend ihrem dritten Nebenjob nachgeht, um ihre zwei Kinder durchzubringen.

Ein bisschen frische Luft tut sicher gut. Obwohl, mit dem Wagen ist irgendwie praktischer. Dauert zwar viel länger, mich mit dem SUV durch die Fußgängerzone zu drängeln, aber da sind ja wirklich schon ein paar graue Wolken am Himmel. Sicher ist sicher. Bei der Gelegenheit könnte ich auch gleich noch was einkaufen. Einen neuen Staubsauger vielleicht? Der alte macht so komische Geräusche. Reparieren rentiert sich da bestimmt nicht, lieber neu kaufen. Dann lohnt sich das mit dem Auto auch gleich viel mehr. Wobei, da muss ich sowieso kein schlechtes Gewissen haben, ich tanke E10, obwohl es einen Cent teurer ist als der normale Sprit. Was tut man nicht alles für die Umwelt.

Den Biotrend lasse ich mir allerdings nicht aufschwätzen, dazu bin ich zu aufgeklärt. In einer Reportage habe ich nämlich gesehen, dass auf Bio-Höfen Schindluder mit dem Siegel getrieben wird. Alles nur Geldmache. Dem trotze ich und kaufe das Analogprodukt aus dem untersten Regal. Da wird schon irgendwas drin sein, was der Ernährung eines menschlichen Wesens dient. Auf der Verpackung steht jedenfalls sowas wie „Für eine gesunde Ernährung“ oder „mit extra Vitaminen“, also im Prinzip eine andere Formulierung für „Zum Scheißen reicht’s!“.

Ich würde ja gerne die vakuumverpackte Fleischwurst aus dem Karton ziehen, aber da steht so eine Islamistin mit Kopftuch samt Kinderwagen im Weg. Heute muss also Ehefrau Nr. 4 für die 30-köpfige Familie shoppen gehen. Kommen die nicht aus dem Mittelalter, um sich in unserer aufgeklärten Gesellschaft breit zu machen? Mit einem bestimmten, möglicherweise leicht gereizten „Darf ich ma? Ja? Danke!“ bücke ich mich auffällig umständlich, um an das schmackhafte Premiumprodukt zu gelangen. Jetzt aber schnell zur Kasse, sonst belegt die mich mit einem Fluch oder so was. Toll, die Schlange an Kasse 1 ist mal wieder ewig lang. Mindestens drei Kunden stehen vor mir, d.h. sicher 2-3 Minuten Wartezeit. Soviel Zeit hab ich nun wirklich nicht, immerhin fängt gleich „Liebe, Sünde, Leidenschaft“ an und Folge 466 verspricht ein echter Kracher zu werden. Also schrei ich durch den Laden: „Zweite Kasse aufmachen!“ und füge gedämpft an: „Gibts doch nicht! Was machen die denn hier den ganzen Tag?“ Waren annehmen, auspacken, einsortieren, Flur putzen, Regale aufräumen, kassieren, alles gleichzeitig… wird ja wohl zu schaffen sein.

Zeit, dass ich mir nach dem ganzen Stress was gönne. Ein zweites iPhone wäre sinnvoll, hat man eins mehr. Der Akku vom alten hält auch nicht mehr so lange. Was, wenn ich mal drei Wochen am Stück unterwegs bin und kein Ladegerät dabei habe? Mit dem Kauf kurbel ich außerdem die Wirtschaft an, und Wachstum ist ja gut. Der Börsenheini in den Nachrichten ist jedenfalls immer gut drauf, wenn diese zackige Kurve im Hintergrund nach oben zeigt.

Das neuerworbene Objekt der Begierde zeige ich auch gleich meinem Anwalts-Kumpel, der mir erzählt, dass er heute wieder massig Minderjährige mit Abmahnungen überschüttet hat. Ich kann ihn nur bedingt beeindrucken, weil er hat das neue iPad, und das kann auch total viel. Eigentlich ist es ja auch scheißegal, was die Dinger alles können, solange ich das Gefühl hab, mir mit den richtigen Produkten Zugehörigkeit zum erlauchten Kreis der Statusneurotiker zu verschaffen. Haben oder nicht haben. Dafür zahl ich auch mehr als nötig. Ich quäle mich doch nicht durch zig Tests und Reviews und Preisvergleiche, um am Ende vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. Rationale Argumente sind mir nicht zugänglich, es geht um die emotionale Bindung. Und soziale Anerkennung.

Ich bevorzuge einfache Lösungen. Das geht schnell und unkompliziert. Ausländer raus, weil die uns die Arbeitsplätze wegnehmen. Politiker alle blöd und korrupt. Manager alle geldgeil und korrupt. Wär aber selber gern einer. Steuern senken. Hartz IV kürzen. Breitere Straßen für breitere Autos. Demonstrationen verbieten, damit ich keine Umwege zur Arbeit fahren muss. Ein farblich passender Schal zu meinem Dufflecoat.

 

Aber nein, man macht sich Gedanken über alles und zwar ständig. Dabei stellt man fest, dass es kein Schwarz-Weiß gibt. Es gibt ganz ganz viel Grau dazwischen. Die Graustufen zu erkennen und zu bewerten verlangt von uns eine Menge ab. Es sei denn, man hat grauen Star. Hahahaha, kleiner Witz am Rande. Manchmal wär ich gern ein Tier, möglichst unintelligent und instinktgetrieben. Koalas zum Beispiel, die taugen mir. 20 Stunden schlafen, 4 Stunden fressen. Und zwar ausschließlich Eukalyptus. Hammer! Wenn das so einfach wäre… Stattdessen: Wecker klingelt am besten nicht zu früh und nicht zu spät und schon gar nicht innerhalb der Rem-Schlafphase, sonst fühlt man sich erschlagen und unerholt. Die Matratze sollte nicht zu weich sein, aber auch nicht zu hart, am besten mit 7-Zonen zur optimalen Passförmigkeit. Kommt aber auch auf das Gewicht und die Schlafgewohnheiten an. Das Frühstück ist eine ganz wichtige Mahlzeit, aber sollte nicht zu schwer sein. Müsli vielleicht. Mit getrockneten Früchten, nicht mit Schokoplättchen. Und Dinkel statt Weizen, der ist bekömmlicher. Laktosefreie Milch wäre zu empfehlen. Nee, am besten gleich Sojamilch. Obwohl, Soja wird viel zu viel angebaut und nimmt Ackerfläche weg. Dann halt Müsli mit rechtsdrehendem Joghurt. Für eine ausgeglichene Darmflora. Abends nicht zu schwer essen, das verkraftest du nicht. Und lass das Bier weg! Wasch dir damit lieber die Haare, das macht sie geschmeidig.

Der Preis der Aufklärung ist gröbste Verwirrung!

Intro: Was mich geritten hat

Willkommen auf meinem Blog der geistigen Delikatessen! Eine Internetpräsenz, die in diesem Moment noch nicht über Google zu finden ist, wie ich soeben erfahren habe, was womöglich schon einen Vorgeschmack auf die inhaltliche Irrelevanz dieser Seite gibt.

Wer wissen will, warum ich mich unbedingt mitteilen muss, liest entweder meine About-Seite oder gesteht mir zu, dass ich es auch nicht so genau weiß. Und wenn es eh schon eine About-Seite gibt, warum dann dieser sinnlose Kommentar? Weil ich das Gefühl hatte, eine kleine Begrüßung schreiben zu müssen, irgendwas einleitendes, bevor es – aufgepasst – “In Medias Res” geht.

Also, lest fleißig, erkennt euch wieder, und fragt euch: “Sind wir nicht alle ein bisschen bekloppt?” Um dann zu antworten: “Ja, alle außer Ich.”