RSS Feed

Category Archives: Fragen Fragen Unbehagen

PARTEI wählen geht nich? Nich jetz?

Die letzten Tage habe ich viel darüber nachgedacht, ob man die PARTEI wählen darf oder nicht. Auslöser war ein Kommentar in der taz bzw, der bestätigende Kommentar einer Freundin von mir zu diesem Kommentar. Beide meinten: Geht gar nicht!

Mit dem Zusatz: Vor allem nicht jetzt zu diesem Zeitpunkt. Wo doch die AfD in den Bundestag einzieht. Wenn wir unsere Stimme verschwenden an eine Partei, die eh an der 5% Hürde scheitern wird, dann ist es schließlich eine vergeudete Stimme, die hätte helfen können, die AfD nicht stärker zu machen als sie es ohnehin schon wird. Das Argument des taktischen Wählens ist ja bis hierher erstmal nix neues. Gebe ich meine Stimme einer etablierten Partei, auch wenn sie nicht meine erste Wahl ist, um das größere Übel einzudämmen? Kann man machen. Wenn es sich halbwegs richtig anfühlt…

Der Vorwurf an PARTEI WählerInnen geht jedoch weiter. Im Kern seien diese elitäre überhebliche Hedonisten, denen die Demokratie am Arsch vorbeiginge, da die PARTEI für nix stehe außer einer destruktiven Haltung zum Politikbetrieb. In der Tat bietet deren Wahlprogramm dem ernsthaft Interessierten keine seriösen Lösungskonzepte, sondern eine Mischung aus Klamauk und Trollerei. Ist es daher vielleicht wirklich verachtenswert, bei denen mein Kreuz zu machen? Weil sich die PARTEI für nix einsetzt, keine konkreten Ziele verfolgt, und sich inhaltlich darin erschöpft, andere durch den Kakao zu ziehen?

Is was dran

Ich wollte das Argument so gelten lassen. Dachte: Ja, irgendwie isses schon wahr. Bin ich tatsächlich einfach nur politikverdrossen und zeige meinen Protest, indem ich zwar keine braune Gülle wähle, stattdessen aber nihilistisch angehauchten Quatsch, der mich ein wenig besser fühlen lässt, weil wir ganz einfach über allem drüber stehen und es eben besser wissen? Ohne eine Lösung vorzuschlagen, aber sich lustig machen über die, die es wenigstens probieren?! Und das in einer Zeit, in der Faschos und Neonazis eine politische Heimat gefunden haben, die es spätestens jetzt endlich zu bekämpfen gilt?

Tief in mir hab ich gleich eine leichte Unruhe gespürt. Es fühlt sich nicht richtig an, von anderen zu verlangen, von Angst getrieben eine Entscheidung zweiter oder dritter Klasse zu treffen. Schließlich sind die Tatsachen doch auf dem Tisch. Ein erschreckend großer Teil unserer Gesellschaft hat scheinbar kein Problem damit, Nazis, Rassisten, Antisemiten und Faschisten ins Parlament zu wählen. Von Hass zerfressene geifernde und sabbernde Menschen musste man da im Fernseher sehen. Das sind wohl die, die hoffnungslos verloren in ihrer eigenen Welt umherwandeln. Und dann gibt es aber noch die „Besorgten“ oder wie auch immer man die nennt, die sich um den deutschen Rentner sorgen, während der Flüchtling alles bekommt. Oder der einfach keine Ausländer mag, auch wenn ers nicht sagt. Die gibt es da draußen. Viel zu viele. Die sind da.

Wo es weh tut

Wenn ich mein Kreuz bei der PARTEI mache, dann mache ich mich also mitschuldig? Weil ich es zulasse, dass die AfD noch einen Sitz im Parlament mehr bekommt? Echt jetzt? Also, ich versteh das zu 100%, dass besonders Menschen (z.B. meine besagten Freunde), die sich täglich im politischen Betrieb einsetzen, sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn andere Leute ihr Kreuz setzen bei einem Verein, der so ganz und gar jenseits der eigenen Handlungsweisen agiert. Das muss frustrierend sein, wenn man tagtäglich sisyphus Arbeit leistet, und dann rollt da ne Horde Komiker über alles drüber. Ich will auch niemanden von ihnen absprechen, dass sie wertvolle Überzeugungsarbeit leisten und an einer besseren Gesellschaft arbeiten (wollen).

Nur bin ich überzeugt, dass es Satire und gerne auch mal ne brachiale Ansage braucht, damit wir ans Denken kommen. Den Finger in die Wunde legen und nochmal beherzt zudrücken. Und ich rede hier nicht von Das-wird-man-doch-noch-mal-sagen-dürfen Nazischeiße, die auf einer faschistoiden Verbrecherlogik beruht, sondern beispielsweise jener Art der politischen Unkorrektheit, die die Sprache als unhinterfragten Schutzmantel entlarvt, aber nicht dort, wo sie Minderheiten vor Diskriminierung und Gewalt schützt, sondern Lippenbekenntnisse oder Doppelmoral offenlegt. Ist doch schon witzig und absurd, wie Martin Sonneborn nach außen kommuniziert wie er EU-Steuergelder auf hirnrisssigste Weise verballert und man sich gleichzeitig darüber echauffiert, dass er diese Gelder bezieht. Merkt ihr was? Denkt ihr den einen Schritt weiter? Ist da etwa ein innerer Konflikt? Was ich damit sagen will, ist ja auch nur, dass Satire die grauen Zellen anregt (hoffentlich), und Widersprüche thematisiert. Das tut manchmal weh.

Keine Agenda? Von wegen!

Hat sich mal wer Reden von Serdar Somuncu angehört? Von wegen keine politischen Inhalte, kein Ziel. Es gibt wenige, die so konsequent Stellung beziehen wie er. Somuncu scheut nicht davor, Aussagen in den Raum zu werfen, von denen der Zuhörer entscheiden muss, ob er es ernst meint oder nicht. Was heißt hier überhaupt ernst? Ernst im Sinne von wahrhaftig? Oder ironisch? Entscheide du! Aber denk halt drüber nach und setz dich damit auseinander.

Ich sehe offen gesagt herzlich wenig Bemühungen seitens unserer parteipolitischen Mitte, dieser Verrohung in Teilen der Gesellschaft entschlossen entgegenzutreten. Eher so im Stile der klassischen “Verurteilung” von schlimmen Dingen. Lippenbekenntnisse haben wir irgendwie schon genug. Gehen beim einen Ohr rein, und ausm anderen wieder raus. Nur eine bekackte Partei scheint die komplette mediale und politische Agenda zu bestimmen, und alle eiern auf Grund deren Erfolges rum, in der Hoffnung, den ein oder anderen Wähler doch noch einzusammeln, der evtl. doch nicht ganz so krass drauf und nur rechtskonservativ ist.

So, und was macht Shahak Shapira in der Zwischenzeit? Infiltiriert zig geschlossene AfD facebook Gruppen und zeigt auf, wie social bots Propaganda und Fake News streuen. Der Vorwurf, die PARTEI und ihre SympathisantInnen täten nichts gegen den Aufmarsch der Rechten, ist gelinde gesagt ziemlich frech.

Nun hab ich mir also ne vorläufige Meinung gebildet. Und wegen Sonntag: Jeder soll wählen, was er für richtig hält. Ist es eine taktische Wahl, dann bitte. Voll ok. Jenen einen Vorwurf zu machen, die dem widerlichen AfD-Gesocks diametral gegenüber stehen und ihr Kreuz bei der PARTEI machen, find ich jedoch falsch. Ist mir lieber als derjenige, der sich gerade noch dazu durchringen kann, bei der CSU ein Häkchen zu machen, weil etabliert und so.

Fragen, Fragen, Unbehagen

Ich möchte an dieser Stelle eine neue Rubrik einführen: Fragen, Fragen, Unbehagen. Und zwar aus gegebenem Anlass: soziale Orientierungslosigkeit, die hin und wieder auftritt, wenn ich einerseits lapidar bestimmte Muster in meiner Umwelt wiedererkenne, dann aber beherzt den Daumen drauf lege und frage: Warum ist das so? Muss das so sein? Und lasst euch gesagt sein: Ich hab nicht den leisesten Schimmer. Aber man muss es ja mal ansprechen. (Um im Anschluss souverän diverse Antworten aus dem Ärmel zu schütteln, die weder Hand noch Fuß haben. Bestenfalls gefährliches Halbwissen.)

Habt ihr euch beispielsweise noch nie gefragt, warum (in Berlin) die Blumenläden fast immer von Asiaten geführt werden? Irgendwann fällt einem das doch auf und hinterlässt ein Fragezeichen. Ich meine mir einzubilden, es seien vor allem Vietnamesen. Warum haben die so ein Faible für Florisitik? Ist das nicht die Domäne der Holländer? Hat irgendwann mal ein Asiate den Sprung auf den Flora-Olymp geschafft, lebt seitdem in Saus und Braus, und nun versuchen es ihm alle nachzumachen? Vom Tellerwäscher zum Kaiser der Gummibäume? Oder gibt’s vielleicht ein Sprichwort in Vietnam, sowas wie: „Ein buntes und von Glück erfülltes Leben ist wie eine prächtig blühende Orchidee“? Ich habe allerdings gelesen, die seien in Vietnam zum großen Teil Atheisten. Voll sympathisch. Wobei, ans große Geld glauben ja doch alle, das verbindet uns Menschen überall.

Vielleicht habt ihr euch das aber auch gar nicht gefragt, und es interessiert euch auch nicht die Bohne. Akzeptiere ich vollkommen. Aber dann beschäftigen euch andere Dinge. Niemand geht durchs Leben und nimmt alles einfach so hin, ohne wenigstens in manchen Situationen ins Grübeln zu kommen, warum sich die Mitmenschen so verhalten wie sie sich verhalten, so sind wie sie sind, so völlig berechenbar und wahllos zugleich. Instinkt, Gene, Erziehung. Je nach erkenntnistheoretischer Positionierung des eigenen Ichs alles plausible Erklärungsmuster. Der biologistisch-naturwissenschaftliche Diskutant möge uns erklären: „Jäger und Sammler halt! Liegt alles in den Genen!“ Die gendersensible Seite sieht das anders: „Liegt alles an der Erziehung. Sozialisierung in so einer Gesellschaft, da kann ja nur dergleichen bei rumkommen.“

Jaja, alles richtig, aber was sagt ihr zu diesem Phänomen: Ich laufe durchs Einkaufzentrum. Macht mir nicht sonderlich Spaß, weil ich Einkaufszentren scheiße finde. Sehen alle gleich aus, haben die gleichen Geschäfte, ne Eisdiele im ersten Stock mit hässlichen Couchecken, voll von betagten Menschen, die sich verirrt haben müssen, oder bepiercten Teenagern mit Testfrisuren. Im Erdgeschoss ist amateurhaft eine Bühne aufgebaut, wo man an einem Gewinnspiel teilnehmen kann, wenn man sich vorher den runtergeleierten Text einer semi-motivierten Promoterin anhört, die gestern noch ISDN-Anschlüsse im Saturn verkauft hat.

Naja, ich hab mal wieder nicht gefunden, was ich eigentlich gesucht hatte, und will vorbei an den ganzen anderen Shopping-Opfern Richtung Ausgang. Ich bin nicht der Einzige, der vom ersten Stock runter ins Erdgeschoss will. Und auch nicht der Einzige, der froh ist, diese Hölle endlich zu verlassen scheint mir. Und trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, was auf dem Förderband, welches uns Gepeinigten den Ausgang zum Greifen nah erscheinen lässt, geschieht: Man stellt sich auf das Band und bleibt mittendrauf stehen. Als hätten alle nur darauf gewartet, endlich irgendwo eine Gehpause einzulegen. Puh, geschafft! Endlich bewegt sich der Boden von alleine, man muss die Beine nicht bewegen und kommt trotzdem voran. Stark! Zwar prügelt man sich den ganzen Tag lang durch die Gänge mit viel zu vielen Klamotten, kotzt über die zu langen Schlangen an den Kassen ab, schlingt sich mittags im Food-Court schnell ein Fischbrötchen rein, damit man noch die dritte Etage dieses Komplexes abklappern kann. Aber auf diesem Rollband kommen sie plötzlich zum Stehen und hindern Leute wie mich daran, dem ganzen Albtraum hurtigst entfliehen zu können.

Warum bleiben die alle stehen, verdammt nochmal? Geht doch weiter! Oder macht mir Platz. Nee, locker angelehnt streift der Blick durch die halogenbeleuchtete Halle. Ein anerkennender Blick zurück zu den Geschäften, denen man sein Geld in den Rachen geworfen hat. Noch mehr Produkte für noch mehr Lebensqualität. Stellen ihre vier H&M Tüten mitten in den Weg. Runterkommen vom Konsumtrip. Nochmal die weitere Shoppingroute im Kopf durchspielen.

Das Rollband, Ort der Rekreation! Ich könnte ausrasten. Man muss noch nicht mal Stufen bewältigen, wie auf einer richtigen Rolltreppe, sondern einfach nur weiter gehen und dabei ein leichtes Gefälle überwinden. Warum bleiben alle stehen?

Das macht einen doch völlig fertig, langsamer als Schritttempo auf einem Fließband durch eine Riesenhalle geschoben zu werden. Irgendwie würdelos auch. Sobald der Boden sich zu bewegen anfängt, benutzen wir unsere Beine einfach nicht mehr. Egal wie langsam, Hauptsache Technik nimmt uns ein lästiges Stück Alltag ab: gehen. Auf die Spitze wird dieses Spektakel auf Flughäfen getrieben, wo sehr lange Gänge mit Hilfe ebenerdiger Förderbänder zu bewältigen sind, wenn man das will. Man könnte sich natürlich denken: Geil, auf den Dingern laufen geht voll schnell und ist so lustig wie auf Einkaufswagen durch den Supermarkt heizen. Aber nicht mal Carl Lewis spielen geht, weil auch auf diesen Fließbändern immer Spielverderber mit ihren dicken Koffern verweilen und die Rennstrecke blockieren, indem sie sich treiben lassen. Die nehmen in Kauf, noch langsamer zu sein als zu Fuß. An den Leuten versuche ich dann immer möglichst lässig nebendran vorbeizuziehen, um Überlegenheit zu demonstrieren. In meinem Gang steckt auch ein klein wenig Verachtung, aber die ist vermutlich kaum sichtbar für die Bequemlichen.

Ein Stück meiner Lebenszeit beraubt, bin ich trotzdem fast draußen. Fast. Da ist noch diese Drehtür. Was für eine dumme Erfindung. Man wartet eingeschlossen in diesem beklemmenden Glaskreisel mit Fahrstuhlatmosphäre darauf, endlich nach draußen ausgespuckt zu werden. Kurz vorher hält die Tür aber natürlich noch mal an. Weil sich auf der anderen Seite noch wer im letzten Moment reinquetschen wollte. Verständlicherweise. Sonst muss man völlig ohne Sinn noch ne halbe Umdrehung abwarten. Was spricht gegen eine normale Tür? Mysterien der Ingenieurskunst.

Draußen schnapp ich mir mein Rad und fahr erstmal bei Rot drüber, mit dem guten Gefühl wieder etwas Zeit reingeholt zu haben.