Ich komm mal wieder mehr unter Leute. Und lege mir dabei ganz nebenbei Hausmannskills zu. Das macht mich zwar zur Lachnummer bei einigen meiner Freunde, aber dafür mutiere ich zum Traum aller Schwiegermütter. Seit einiger Zeit wohne ich einem Nähkurs der Volkshochschule bei. Wie erwartet als einziger Mann in der Runde. So richtig ernst genommen scheine ich nicht zu werden, aber die Bemerkung der Kursleiterin: „Ah, wir hatten schonmal einen Mann im Kurs, der ließ sich nach der ersten Stunde nie wieder blicken“ spornt mich nur an. Obwohl ich glaube, ich sei eine viertel Stunde zu früh dran, komme ich zur ersten Sitzung ne viertel Stunde zu spät. Ich bin sogar extra noch um den trostlosen Block spaziert, um Zeit totzuschlagen, weil ich so früh dran zu sein glaubte (Hä? Macht diese Grammatik Sinn?). Geil, einmal im Leben pünktlich sein, dachte ich, während ich durch die uninteressante Gegend laufe. Fail!
Jedenfalls komm ich da rein, und alle sitzen vor ihren Nähmaschinen und sind fleißig irgendwas am machen. Scheinbar haben alle schon Visionen von Abendrobe, Bettwäsche und Jutebeuteln. Ich hingegen dachte, man lernt da die Basics des Schneiderns und Nähens. Schließlich bin ich blutiger Anfänger, noch nicht mal nen Knopf hab ich jemals angenäht. Ich glaub zwar, dass ich das könnte. Aber ich habs halt noch nie gemacht. Und die sitzen da alle mit ihren Ikea-Starterpaketen und fummeln an irgendwas rum. Ich nehme mir auch ne Maschine aus dem Schrank und schaffe es zumindest, den Stecker in die Steckdose zu stecken (3x „stecken“ in einem einzigen Nebensatz. Brilliant!).
Die Kursleiterin erbarmt sich meiner, fädelt mir den Faden ein, den ich übrigens selber mitgebracht habe (ich bin nicht völlig unvorbereitet!) und gibt mir nen Fetzen, auf dem ich rumnähen darf. So stell ich mir ein bisschen die Bastelstunde im Haus Lebenshilfe vor, aber ok, jeder fängt mal klein an. Ich näh so ein bisschen unmotiviert auf dem Lappen rum und stelle mit einem Blick nach rechts fest, dass ich damit schon zu den Fortgeschrittenen gehöre. Denn die äußerst hübsche Teilnehmerin zu meiner rechten (Danke Gott, nicht nur Muttchen in dem Kurs!) hat große Einfädelprobleme, so dass ich gleich in die Lehrerrolle schlüpfe und ihr dank meines fotografischen Gedächtnisses den Faden durch das Gerät pule (klingt irgendwie wie eine Metapher für irgendwelchen Schweinkram. Isses aber nich!). Bähm, von jetz an soll es bergauf gehen!
Naja, nicht unbedingt stetig bergauf, es gibt auch Rückschläge zu verkraften. Die Hoffnung, dass ich für die kommenden Sitzungen ne nette Gesprächspartnerin in meinem Alter habe, die ähnlich hilflos vor den unbegrenzten Möglichkeiten der Näh- und Schneiderwelt kapituliert, wird nämlich auf dem Heimweg jäh zerstört. Wofür ich mich leider selbst verantwortlich zeichnen muss. Wir plaudern nett, alles cool, und wir kommen dahin, wie und warum wir eigentlich in dem Kurs gelandet sind. Ich sage mit ironischem Unterton (der ihr verborgen bleiben soll): „Ich bin nur hier, um zu baggern.“ Ich fand das witziger als sie, glaub ich. Jedenfalls machen sich gleich Stalker-Paranoia bei ihr breit. Wir müssen beide zur gleichen Station fahren, und als ich als ortskundiger Mensch versuche, einzugrenzen, wo sie wohnt, zieht sich bei ihr alles zusammen und sie stammelt sowas wie: „Äh, ich muss ja jetz nich alles preisgeben, ne…“ Nö, natürlich nicht. Ich bin selbst ein großer Fan von Privatsphäre. Aber zu glauben, ich sei irgendein kranker Spinner. Trifft! Mitten ins Herz! Mir war auch nie bewusst, dass ich überhaupt auch nur ansatzweise so einen Eindruck vermitteln könnte. Vielleicht hat sie aber ja auch miese Erfahrungen mit so Null-Acht-Fuffzehn-Typen wie mir gemacht. Naja, jedenfalls sucht sie sich seitdem im Kurs immer dort einen Platz, der keinen weiteren Nachbarn zulässt. Eingerahmt von harmlosen Fräuleins oder am Rand. Was lerne ich daraus? Lass das mit der Ironie lieber bleiben! Rafft nich jeder.
Jedenfalls war klar: Ohne konkretes Projekt bin ich in dem Kurs verloren. Das kleine Einmaleins des Nähens und Schneiderns wird uns jedenfalls nicht beigebracht. Das hat schon eine weitere Person in dem Kurs zur Aufgabe bewegt. Im Gespräch mit der Kursleiterin kam ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck. „Ich dachte, Sie bringen uns irgendwie Grundregeln bei. Ich bin nämlich blutige Anfängerin, wissen Sie!?“ Ich glaub, die wollte das studieren oder so. „Nee, so hab ich den Kurs eigentlich nicht konzipiert. Ihr sollt euch was überlegen und ich helf euch dabei. Ich hab das Gefühl, das macht mehr Sinn.“ – „Aha.“ Und sie ward nie wieder gesehen.
In der zweiten Stunde hab ich mich also daran gemacht, während die anderen fleißig ihre zukünftigen Kissenbezüge misshandelten, mir ne Strickjacke umzunähen. Zack! Am Ende war das Ding fertig, ich äußerst zufrieden mit meinem Werk, und die anderen hochgradig neidisch auf meinen Output. Den hab ichs ja wohl gezeigt, oder?! Nee, aber die sind auch echt alle voll nett da. No hate, no bad feelings! Ich kann sowas einfach: Abtauchen in die Welt des Kleinbürgertums und gemocht werden von seinen BewohnerInnen. Solange ich die Ironie zu Hause lasse.