Monthly Archives: November 2012

Im ICE

Mittlerweile find ich Zugfahren geil. Als Teenager bin ich höchstens mit dem Regio zwischen meinem Kaff und der Großstadt gependelt, und das oftmals schwarz, so dass ich unterwegs immer Blut und Wasser geschwitzt hab, weil ich keine Lust hatte, 5 Mark fürs Ticket zu zahlen. Das Geld hab ich lieber gespart, um mir bei New Yorker ein Plastik-T-Shirt mit Tribal auf der Brust kaufen zu können.

Vom Dorf-Proleten-Zug hab ich den Aufstieg in die 2. Klasse ICE geschafft, und das ganz ohne Bahncard 25. Ich mag die Sitze mit Tisch. Da steck ich meinen Laptop an und zieh mir haufenweise Serien rein. Das könnte man ruhig auch mal in der Werbung anpreisen. So ein Vollnerd, der sich in seinen Sitz pellt und stundenlang mau auf den Bildschirm glotzt, während er mit 250 Sachen durch die Pampa brettert. Das ist Luxus! Bordrestaurant mit Eintopf für 9 Euro ist mir herzlich egal und ausm Fenster gucken halte ich einfach nicht lange aus. Hinter Berlin kommt auch einfach lange lange nichts, was meines Blickes würdig wäre. Glaub ich zumindest. Keine Berge, kein Meer und auch sonst kein spektakuläres Szenario. Bloß… Mitteldeutschland. So richtig durchschnittlich. Wie ich mir deutsches Ödland halt so vorstelle.

Leider hat die Steckdose beim letzten Mal gestreikt, so dass nach zwei Folgen Game of Thrones Schluss war mit belangloser Serienscheiße. Also muss ich mich mit meiner unmittelbaren Umwelt befassen statt mit Intrigen, Sex, Gewalt und Mittelalter-Kreaturen. Wobei, soweit liegen die beiden Welten wahrscheinlich gar nicht auseinander. Schräg vor mir sitzt ein Typ in Jogginghose und schaut mit seiner Freundin zusammen auf ein vor ihnen platziertes Gerät, welches ich bei genauerem Hinsehen als tragbaren DVD-Player identifiziere. Ich hätte nicht gedacht, dass sich jemals ein Mensch so ein Ding kauft, der schonmal von Notebooks oder sonstigen Geräten gehört hat, die mehr als nur eine einzige Sache können. Vielleicht leiht der sich auch noch Spielfilme in der Videothek aus und überspielt die sich auf seinen zwei Videorekordern, ergänzt um einen den Kopierschutz umgehenden Dekoder. Für unterwegs gönnt er sich jedenfalls den Luxus eines portablen DVD-Players. Warum nicht?! Seine Sammlung an DVDs scheint zudem relativ hochwertig zu sein. Er guckt nämlich Wrestling. Die Highlights der WWF, schätz ich. Undertaker gegen Bret fucking Hit Man Hart. Ok, das war geraten. Sind nämlich die einzigen beiden Clowns, die ich aus Schulzeiten noch von Sammelkarten her kenne. Ich raff bis heute nicht, was daran geil sein soll. Ich musste nicht erst Arranofskys ‘The Wrestler’ gucken, um zu verstehen, dass das einstudiertes Theater ist. So lächerliche Gesten auch: Der eine rammt den anderen zu Boden, dreht sich um, lässt sich nichtsahnend vom Publikum feiern, während sich der andere klammheimlich aufrappelt, von irgendwoher einen sperrigen Gegenstand auftreibt und dem Poser von hinten überbrät. Das wiederholt sich ein paar mal, mit anderen Gegenständen und noch peinlicheren Kostümen, und am Ende gewinnt der, der eigentlich schon kaputt war.

Vielleicht hat das auch der Kollege mit dem DVD-Player geschnallt, oder aber die Freundin war einfach kein dezidierter Wrestling-Fan. Jedenfalls zieht er aus seiner DVD-Tasche was neues. Ich bin schon bisschen gespannt, muss ich zugeben. Wieder was mit erstklassigen Schauspielern: Tom Gerhardt und diesem anderen, der immer Mario spielt. Hab ich gleich erkannt, denn mir sind die Klassiker ‘Voll normaaal’ und ‘Ballermann 6’ durchaus geläufig. Gehörte irgendwie zu meiner kölschen Sozialisation.

„Booaaah, isse Tiiiiger!“ – „Nä, Tommy, Leopaaarde!“ – „Tiiiiger!“ – „Leopaaarde!“

Und das is noch einer der sinnvolleren Dialoge… Jedenfalls handelt es sich bei dem Streifen um die neueste cinematographische Sensation der beiden Komiker: ‘Die Superbullen’. Nie gesehen, werd ich aber nachholen müssen. Was ich in den ersten beiden Minuten mitbekommen habe – voll besoffen mit ihrem Streifenwagen zum Dienst erscheinen und dabei alle in der Nähe stehenden Autos rammen – das hat Potential. Ich bin begeistert von der erlesenen Auswahl des Burschen vor mir und noch viel mehr beeindruckt davon, dass seine Freundin das mitmacht.

Meine Aufmerksamkeit gilt mittlerweile allerdings eh schon dem Päarchen hinter mir. Nachdem der Schaffner den werten Herren nämlich darauf aufmerksam gemacht hat, dass sein Ticket nicht gültig sei, entbrennt eine heiße Diskussion. Also naja, eigentlich macht sich der Typ nur lächerlich, ohne es zu merken. So Sätze wie:

„Seit VIERZIG Jahren fahr ich mit der Deutschen Bahn, aber SOWAS is mir noch NIE passiert.“ Als hätte das jemals was gebracht. Auch pampig dem Schaffner gegenüber hilft meistens nicht: „Ohhh ja, Sie fühlen sich jetzt wohl besonders wichtig, was?!“ Weiter zur weiblichen Begleitung „Hier hier, merkste, wie der sich aufspielt?! Kommt sich wohl besonders toll vor.“ Und natürlich noch: „Das wird noch Konsequenzen haben, das lass ich mir nicht gefallen.“ Die einzige Konsequenz ist, dass sich alle Leute um ihn herum fremdschämen.

Ich hätte mich gern umgedreht, den Typen ausgelacht und wenn ich damit fertig gewesen wäre, dem äußerlich vollkommen tiefenentspannt wirkenden Schaffner meine Bewunderung für soviel Gelassenheit ausgedrückt. Stattdessen hab ich die Schnauze gehalten und weiter zugehört, nachdem der Schaffner seine Arbeit wieder aufgenommen hat. Sie mault völlig zurecht: „Immer das Gleiche mit dir. Schiebst die Schuld auf andere. Warum kannste nicht einsehen, dass du nen Fehler gemacht hast?“ Daraufhin er völlig selbstreflektiert: „Ach komm, sei ruhig. Komm, sei still, sei einfach still!“

Dass sich die beiden innig lieben, beweist sich dann doch noch. Als wir in Köln aussteigen, und die Treppen vom Bahnsteig hinunter gehen, zeigt er seine emphatische Seite. Sie macht einen falschen Schritt und purzelt die halbe Treppe auf dem Allerwertesten runter, woraufhin er entsetzt brüllt: „Kannste dich noch nicht mal gescheit festhalten, Mensch!?!“

Das muss Liebe sein.

ready Set go

Ohne große Worte möchte ich ein paar vorzügliche Mixsets aus der großen Soundcloud vorstellen.

Da wär zum einen der echt interessante Podcast von Onetake & Steffen Bennemann des Leipziger Labels Kann Records zu nennen. Im ersten Teil des Mixes sind u.a. äthiopische Grooves und Weltmusik aus anderen Regionen unserer schönen Erde verwurstet. Hörenswert:

Voll super und dabei schön unaufdringlich sind auch die Sets von Paco, der sich regelmäßig um seinen Podcast mit dem Namen risikogruppe kümmert. Die Sets bewegen sich vornehmlich unterhalb der 120bpm und im slow house Bereich, sind aber mehr als nur Nebenbei-Musik. Der hier ausm letzten Jahr gefällt mir z.B. sehr:

Und dann bin ich heute dank dem Kraftfuttermischwerk glücklicherweise auf einen brandneuen Robag Wruhme Mischmasch gestoßen. Ha, der traut sich was, mixt seine Lieblingslieder zusammen und verarbeitet dabei noch ne Hookline von Helge Schneider und eine Rede von Barack Obama zwischen seinem Potpourri an musikalischen Köstlichkeiten.

Gerne höre ich auch immer noch mein eigenes Erzeugnis aus einer Zeit, die man Frühsommer nannte.

… sind Geld, Boobies und natürlich richtig dicke Felgen.

Deshalb denke ich über ein neues Image nach:

Image

Fragen, Fragen, Unbehagen

Ich möchte an dieser Stelle eine neue Rubrik einführen: Fragen, Fragen, Unbehagen. Und zwar aus gegebenem Anlass: soziale Orientierungslosigkeit, die hin und wieder auftritt, wenn ich einerseits lapidar bestimmte Muster in meiner Umwelt wiedererkenne, dann aber beherzt den Daumen drauf lege und frage: Warum ist das so? Muss das so sein? Und lasst euch gesagt sein: Ich hab nicht den leisesten Schimmer. Aber man muss es ja mal ansprechen. (Um im Anschluss souverän diverse Antworten aus dem Ärmel zu schütteln, die weder Hand noch Fuß haben. Bestenfalls gefährliches Halbwissen.)

Habt ihr euch beispielsweise noch nie gefragt, warum (in Berlin) die Blumenläden fast immer von Asiaten geführt werden? Irgendwann fällt einem das doch auf und hinterlässt ein Fragezeichen. Ich meine mir einzubilden, es seien vor allem Vietnamesen. Warum haben die so ein Faible für Florisitik? Ist das nicht die Domäne der Holländer? Hat irgendwann mal ein Asiate den Sprung auf den Flora-Olymp geschafft, lebt seitdem in Saus und Braus, und nun versuchen es ihm alle nachzumachen? Vom Tellerwäscher zum Kaiser der Gummibäume? Oder gibt’s vielleicht ein Sprichwort in Vietnam, sowas wie: „Ein buntes und von Glück erfülltes Leben ist wie eine prächtig blühende Orchidee“? Ich habe allerdings gelesen, die seien in Vietnam zum großen Teil Atheisten. Voll sympathisch. Wobei, ans große Geld glauben ja doch alle, das verbindet uns Menschen überall.

Vielleicht habt ihr euch das aber auch gar nicht gefragt, und es interessiert euch auch nicht die Bohne. Akzeptiere ich vollkommen. Aber dann beschäftigen euch andere Dinge. Niemand geht durchs Leben und nimmt alles einfach so hin, ohne wenigstens in manchen Situationen ins Grübeln zu kommen, warum sich die Mitmenschen so verhalten wie sie sich verhalten, so sind wie sie sind, so völlig berechenbar und wahllos zugleich. Instinkt, Gene, Erziehung. Je nach erkenntnistheoretischer Positionierung des eigenen Ichs alles plausible Erklärungsmuster. Der biologistisch-naturwissenschaftliche Diskutant möge uns erklären: „Jäger und Sammler halt! Liegt alles in den Genen!“ Die gendersensible Seite sieht das anders: „Liegt alles an der Erziehung. Sozialisierung in so einer Gesellschaft, da kann ja nur dergleichen bei rumkommen.“

Jaja, alles richtig, aber was sagt ihr zu diesem Phänomen: Ich laufe durchs Einkaufzentrum. Macht mir nicht sonderlich Spaß, weil ich Einkaufszentren scheiße finde. Sehen alle gleich aus, haben die gleichen Geschäfte, ne Eisdiele im ersten Stock mit hässlichen Couchecken, voll von betagten Menschen, die sich verirrt haben müssen, oder bepiercten Teenagern mit Testfrisuren. Im Erdgeschoss ist amateurhaft eine Bühne aufgebaut, wo man an einem Gewinnspiel teilnehmen kann, wenn man sich vorher den runtergeleierten Text einer semi-motivierten Promoterin anhört, die gestern noch ISDN-Anschlüsse im Saturn verkauft hat.

Naja, ich hab mal wieder nicht gefunden, was ich eigentlich gesucht hatte, und will vorbei an den ganzen anderen Shopping-Opfern Richtung Ausgang. Ich bin nicht der Einzige, der vom ersten Stock runter ins Erdgeschoss will. Und auch nicht der Einzige, der froh ist, diese Hölle endlich zu verlassen scheint mir. Und trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, was auf dem Förderband, welches uns Gepeinigten den Ausgang zum Greifen nah erscheinen lässt, geschieht: Man stellt sich auf das Band und bleibt mittendrauf stehen. Als hätten alle nur darauf gewartet, endlich irgendwo eine Gehpause einzulegen. Puh, geschafft! Endlich bewegt sich der Boden von alleine, man muss die Beine nicht bewegen und kommt trotzdem voran. Stark! Zwar prügelt man sich den ganzen Tag lang durch die Gänge mit viel zu vielen Klamotten, kotzt über die zu langen Schlangen an den Kassen ab, schlingt sich mittags im Food-Court schnell ein Fischbrötchen rein, damit man noch die dritte Etage dieses Komplexes abklappern kann. Aber auf diesem Rollband kommen sie plötzlich zum Stehen und hindern Leute wie mich daran, dem ganzen Albtraum hurtigst entfliehen zu können.

Warum bleiben die alle stehen, verdammt nochmal? Geht doch weiter! Oder macht mir Platz. Nee, locker angelehnt streift der Blick durch die halogenbeleuchtete Halle. Ein anerkennender Blick zurück zu den Geschäften, denen man sein Geld in den Rachen geworfen hat. Noch mehr Produkte für noch mehr Lebensqualität. Stellen ihre vier H&M Tüten mitten in den Weg. Runterkommen vom Konsumtrip. Nochmal die weitere Shoppingroute im Kopf durchspielen.

Das Rollband, Ort der Rekreation! Ich könnte ausrasten. Man muss noch nicht mal Stufen bewältigen, wie auf einer richtigen Rolltreppe, sondern einfach nur weiter gehen und dabei ein leichtes Gefälle überwinden. Warum bleiben alle stehen?

Das macht einen doch völlig fertig, langsamer als Schritttempo auf einem Fließband durch eine Riesenhalle geschoben zu werden. Irgendwie würdelos auch. Sobald der Boden sich zu bewegen anfängt, benutzen wir unsere Beine einfach nicht mehr. Egal wie langsam, Hauptsache Technik nimmt uns ein lästiges Stück Alltag ab: gehen. Auf die Spitze wird dieses Spektakel auf Flughäfen getrieben, wo sehr lange Gänge mit Hilfe ebenerdiger Förderbänder zu bewältigen sind, wenn man das will. Man könnte sich natürlich denken: Geil, auf den Dingern laufen geht voll schnell und ist so lustig wie auf Einkaufswagen durch den Supermarkt heizen. Aber nicht mal Carl Lewis spielen geht, weil auch auf diesen Fließbändern immer Spielverderber mit ihren dicken Koffern verweilen und die Rennstrecke blockieren, indem sie sich treiben lassen. Die nehmen in Kauf, noch langsamer zu sein als zu Fuß. An den Leuten versuche ich dann immer möglichst lässig nebendran vorbeizuziehen, um Überlegenheit zu demonstrieren. In meinem Gang steckt auch ein klein wenig Verachtung, aber die ist vermutlich kaum sichtbar für die Bequemlichen.

Ein Stück meiner Lebenszeit beraubt, bin ich trotzdem fast draußen. Fast. Da ist noch diese Drehtür. Was für eine dumme Erfindung. Man wartet eingeschlossen in diesem beklemmenden Glaskreisel mit Fahrstuhlatmosphäre darauf, endlich nach draußen ausgespuckt zu werden. Kurz vorher hält die Tür aber natürlich noch mal an. Weil sich auf der anderen Seite noch wer im letzten Moment reinquetschen wollte. Verständlicherweise. Sonst muss man völlig ohne Sinn noch ne halbe Umdrehung abwarten. Was spricht gegen eine normale Tür? Mysterien der Ingenieurskunst.

Draußen schnapp ich mir mein Rad und fahr erstmal bei Rot drüber, mit dem guten Gefühl wieder etwas Zeit reingeholt zu haben.

Wenn ich ahnungslos wäre

Manchmal wär ich gern in meiner kleinen Welt. Hier blende ich alles aus, was mich nicht interessiert und wo alles so funktioniert, wie ich mir das zurecht lege. Dinge wie Treibhauseffekt, EU-Bio-Siegel oder Gazastreifen spielen hier keine Rolle. Dummheit und Unwissenheit, das wär mal was. Zu glauben, alles sei ne Wolke. Ich kauf mein billiges Antibiotika-Fleisch beim Discounter, lese die Bild, und bin ein unwichtiges Angestelltenglied bei einer Investmentbank. Mich kümmern Käfighühner mit gebrochenen Beinen genauso wenig wie Minderheitenhetze in buntem Toilettenpapier oder Spekulationen auf Nahrungsmittel.

Hauptsache, ich muss mich nicht mit Dingen belasten, die ich ja doch nicht ändern kann. Die guck ich mir höchstens von meiner Couch aus an, wenn ich die Tagesschau einschalte. Was da gezeigt wird, glaube ich. Und die mir unterschwellig eingebläute Meinung übernehme ich auch. Aber eigentlich reicht es mir schon, wenn ich mich über die lächerliche Frisur des Auslandskorrespondenten lustig machen kann.

Ich kümmere mich um die Geranien auf meinem Balkon und schneide den herrlich blühenden Ast, der von meinem törichten Nachbarn herüberlugt ab, weil das mein Grundstück ist und der das bestimmt aus Bösartigkeit macht. Soll der nur kommen, dem erzähl ich was. Z.B. dass ich das Gekläffe von seinem kleinen Fiffi in den frühen Morgenstunden längst dem Vermieter gepetzt habe. Lange verpestet die Töle unsere ansonsten vorzüglich riechende Luft im Hausflur nicht mehr.

Ich muss aber auch noch schnell zu Kik, mein Spannbetttuch reklamieren, das ist nämlich völliger Müll, zerreißt schon vom bloßen Angucken. Konnte ich beim Preis von 2,99 € ja nicht ahnen, dass solche Minderware von modernen Kindersklaven in Bangladesh zusammengeklebt wird. Na, die Verkäuferin wird was zu hören bekommen, mir sowas zu verkaufen. Wird doch ausgezeichnet dafür bezahlt, der Ramschbude einen halbwegs menschlichen Anstrich zu verleihen, bevor sie dann am Abend ihrem dritten Nebenjob nachgeht, um ihre zwei Kinder durchzubringen.

Ein bisschen frische Luft tut sicher gut. Obwohl, mit dem Wagen ist irgendwie praktischer. Dauert zwar viel länger, mich mit dem SUV durch die Fußgängerzone zu drängeln, aber da sind ja wirklich schon ein paar graue Wolken am Himmel. Sicher ist sicher. Bei der Gelegenheit könnte ich auch gleich noch was einkaufen. Einen neuen Staubsauger vielleicht? Der alte macht so komische Geräusche. Reparieren rentiert sich da bestimmt nicht, lieber neu kaufen. Dann lohnt sich das mit dem Auto auch gleich viel mehr. Wobei, da muss ich sowieso kein schlechtes Gewissen haben, ich tanke E10, obwohl es einen Cent teurer ist als der normale Sprit. Was tut man nicht alles für die Umwelt.

Den Biotrend lasse ich mir allerdings nicht aufschwätzen, dazu bin ich zu aufgeklärt. In einer Reportage habe ich nämlich gesehen, dass auf Bio-Höfen Schindluder mit dem Siegel getrieben wird. Alles nur Geldmache. Dem trotze ich und kaufe das Analogprodukt aus dem untersten Regal. Da wird schon irgendwas drin sein, was der Ernährung eines menschlichen Wesens dient. Auf der Verpackung steht jedenfalls sowas wie „Für eine gesunde Ernährung“ oder „mit extra Vitaminen“, also im Prinzip eine andere Formulierung für „Zum Scheißen reicht’s!“.

Ich würde ja gerne die vakuumverpackte Fleischwurst aus dem Karton ziehen, aber da steht so eine Islamistin mit Kopftuch samt Kinderwagen im Weg. Heute muss also Ehefrau Nr. 4 für die 30-köpfige Familie shoppen gehen. Kommen die nicht aus dem Mittelalter, um sich in unserer aufgeklärten Gesellschaft breit zu machen? Mit einem bestimmten, möglicherweise leicht gereizten „Darf ich ma? Ja? Danke!“ bücke ich mich auffällig umständlich, um an das schmackhafte Premiumprodukt zu gelangen. Jetzt aber schnell zur Kasse, sonst belegt die mich mit einem Fluch oder so was. Toll, die Schlange an Kasse 1 ist mal wieder ewig lang. Mindestens drei Kunden stehen vor mir, d.h. sicher 2-3 Minuten Wartezeit. Soviel Zeit hab ich nun wirklich nicht, immerhin fängt gleich „Liebe, Sünde, Leidenschaft“ an und Folge 466 verspricht ein echter Kracher zu werden. Also schrei ich durch den Laden: „Zweite Kasse aufmachen!“ und füge gedämpft an: „Gibts doch nicht! Was machen die denn hier den ganzen Tag?“ Waren annehmen, auspacken, einsortieren, Flur putzen, Regale aufräumen, kassieren, alles gleichzeitig… wird ja wohl zu schaffen sein.

Zeit, dass ich mir nach dem ganzen Stress was gönne. Ein zweites iPhone wäre sinnvoll, hat man eins mehr. Der Akku vom alten hält auch nicht mehr so lange. Was, wenn ich mal drei Wochen am Stück unterwegs bin und kein Ladegerät dabei habe? Mit dem Kauf kurbel ich außerdem die Wirtschaft an, und Wachstum ist ja gut. Der Börsenheini in den Nachrichten ist jedenfalls immer gut drauf, wenn diese zackige Kurve im Hintergrund nach oben zeigt.

Das neuerworbene Objekt der Begierde zeige ich auch gleich meinem Anwalts-Kumpel, der mir erzählt, dass er heute wieder massig Minderjährige mit Abmahnungen überschüttet hat. Ich kann ihn nur bedingt beeindrucken, weil er hat das neue iPad, und das kann auch total viel. Eigentlich ist es ja auch scheißegal, was die Dinger alles können, solange ich das Gefühl hab, mir mit den richtigen Produkten Zugehörigkeit zum erlauchten Kreis der Statusneurotiker zu verschaffen. Haben oder nicht haben. Dafür zahl ich auch mehr als nötig. Ich quäle mich doch nicht durch zig Tests und Reviews und Preisvergleiche, um am Ende vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. Rationale Argumente sind mir nicht zugänglich, es geht um die emotionale Bindung. Und soziale Anerkennung.

Ich bevorzuge einfache Lösungen. Das geht schnell und unkompliziert. Ausländer raus, weil die uns die Arbeitsplätze wegnehmen. Politiker alle blöd und korrupt. Manager alle geldgeil und korrupt. Wär aber selber gern einer. Steuern senken. Hartz IV kürzen. Breitere Straßen für breitere Autos. Demonstrationen verbieten, damit ich keine Umwege zur Arbeit fahren muss. Ein farblich passender Schal zu meinem Dufflecoat.

 

Aber nein, man macht sich Gedanken über alles und zwar ständig. Dabei stellt man fest, dass es kein Schwarz-Weiß gibt. Es gibt ganz ganz viel Grau dazwischen. Die Graustufen zu erkennen und zu bewerten verlangt von uns eine Menge ab. Es sei denn, man hat grauen Star. Hahahaha, kleiner Witz am Rande. Manchmal wär ich gern ein Tier, möglichst unintelligent und instinktgetrieben. Koalas zum Beispiel, die taugen mir. 20 Stunden schlafen, 4 Stunden fressen. Und zwar ausschließlich Eukalyptus. Hammer! Wenn das so einfach wäre… Stattdessen: Wecker klingelt am besten nicht zu früh und nicht zu spät und schon gar nicht innerhalb der Rem-Schlafphase, sonst fühlt man sich erschlagen und unerholt. Die Matratze sollte nicht zu weich sein, aber auch nicht zu hart, am besten mit 7-Zonen zur optimalen Passförmigkeit. Kommt aber auch auf das Gewicht und die Schlafgewohnheiten an. Das Frühstück ist eine ganz wichtige Mahlzeit, aber sollte nicht zu schwer sein. Müsli vielleicht. Mit getrockneten Früchten, nicht mit Schokoplättchen. Und Dinkel statt Weizen, der ist bekömmlicher. Laktosefreie Milch wäre zu empfehlen. Nee, am besten gleich Sojamilch. Obwohl, Soja wird viel zu viel angebaut und nimmt Ackerfläche weg. Dann halt Müsli mit rechtsdrehendem Joghurt. Für eine ausgeglichene Darmflora. Abends nicht zu schwer essen, das verkraftest du nicht. Und lass das Bier weg! Wasch dir damit lieber die Haare, das macht sie geschmeidig.

Der Preis der Aufklärung ist gröbste Verwirrung!

Pisswetter Grooves

Man kann Musik seiner Stimmung anpassen, aber auch umgekehrt gehts. Darfs vielleicht ein bisschen depri sein? Oder lustisch? Is ja eh alles subjektiv. Also RELATIV subjektiv.

An dieser Stelle werden hier ab sofort regelmäßig musikalische Beiträge gepostet, die mir aus irgendwelchen Gründen am Herzen liegen. Die i-Tüpfelchen auf dem Sahnehäubchen, bescheiden ausgedrückt, werden dabei meine eigenhändig zusammengekleisterten Mixe des Monats sein. Ich nenn das Mucast, weils so was wie ein Podcast für Musik is und dich die Wortschöpfung hervorragend finde.

Soeben fertig geworden für November 2012: die Pisswetter Grooves. Für alle Couchpotatoes und die, die es noch werden wollen.

UPDATE: Ich war so stolz, dass ich den Mixcloud-Player eingebunden bekommen habe. Scheinbar ändert sich der Pfad ständig, sodass es ne Fehlermeldunge gibt. Ich hasse Fehlermeldungen. Deswegen gibts jetz halt nur noch nen Link zum Mixcloud Profil. Ooch rischtisch jeil!