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Monthly Archives: November 2014

Ein gewisses Maß an Selbstzerstörung

Ich hab ja gedacht, Berlin sei ne Großstadt, aber wenn man sich mal auf London einlässt, stelllt man schnell fest, wie gemütlich die deutsche Hauptstadt eigentlich ist. Also erstmal bin ich vor allem kontinuierlich auf der Hut, nicht überfahren zu werden. Der Verkehr ist lächerlich, das Recht des Stärkeren wird hier relativ ausgiebig zelebriert. Auf dem Fahrrad nimmt das Ganze dann auch mal ziemlich suizidale Züge an. Und damit meine ich nicht den Linksverkehr, sich darüber zu beklagen, wär lame und alt.

Die öffentlichen Verkehrsmittel gehen immer und überall vor, da wird man als Radfahrer auch schonmal abgedrängt, wenn man einem Busfahrer oder Taxi nicht passt. Wenn man im Augenwinkel den Doppeldecker hinter sich drängeln sieht und er sich daran versucht, dich innen zu überholen, macht man dann auch schonmal freiwillig Platz. Als überzeugter Radler fällt es mir nicht leicht das zu sagen, aber es sind auch die Fahrradfahrer hier, die zum Kampf geradezu auffordern. Ohne Rücksicht auf (eigene) Verluste brettern die mit ihren teuren Rennmaschinen und völlig unkontrolliert durch Autos hindurch und über Kreuzungen hinweg, dass es einem schlecht wird. Die Blumen, die hier ums Eck an der Laterne hängen, sollten einem eigentlich Warnung genug sein.

Wenn ich aber von ArbeitskollegInnen höre, was morgens an ihren U-Bahn-Stationen los ist (wartendende Pendler, die auf der Straße drängeln, um überhaupt runter in die Schächte vorzudringen), weiß ich wieder sofort, warum ich das tue. Darauf hätte ich ja noch viel weniger Bock als mich mit dem motorisierten Verkehr anzulegen.

Allzu viel hab ich von der Stadt noch nicht gesehen, muss ich zugeben, aber Schritt für Schritt versuche ich, die Gegend zu erschließen. Angefangen mit nem abendlichen Spaziergang in der nördlichen Hood rund um Tower Bridge. Die Architektur bei Nacht hier ist unglaublich. Hört man wahrscheinlich nicht oft als eine der ersten Attribute über diese Stadt, aber die ist einfach mal echt schön.

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Triple Rainbow, all the way!

Island 2014: Ein uninformativer Reisebericht mit halbwegs guten Fotos


 

Schonmal bei 3 Grad Celsius und eisigem Wind gezeltet? Ich auch nicht, bis ich mich spontan entschied, mit zwei Freunden (die sich vorher nicht kannten) diesem Island einen Besuch abzustatten. Das Island, was angeblich boomt. Was das heißt, kann man sich aber im Grunde vorstellen: 10-Tage-Bustour unter Anleitung, mit Übernachtung im 4-Sterne-Hotel, Abenteuer-Exkursionen im beheizten Jeep, und einem Satz langer Unterhosen für die Überraschten („Oh, is ja kalt hier“) wenn man doch mal das Auto verlassen muss.

Meine 2 Wurstköppe von Begleitern

Meine 2 Wurstköppe von Begleitern

Regen oder nich Regen? Das is öfters mal die Frage.

Regen oder nich Regen? Das is öfters mal die Frage.

Für viele ist der Ort aber zugegebenermaßen noch ein Paradies für Experimente und eine gewollte Gelegenheit, den inneren Schweinehund herauszufordern. Für mich bedeutete das durchaus einfach mal, mit 2 Paar Socken, Mütze und Fleece zu campen, am nächsten Morgen bei eisigem Wind möglichst schnell Porridge (gabs jeden Tag) herzustellen und sich dann von der Heizung im Auto langsam wieder auf Temperatur  bringen zu lassen. Ok, wir haben nur die Hälfte der Nächte unserer Woche dort im Zelt verbracht, weil war ja auch Urlaub irgendwie, oder sollte es zumindest sein. Ich fand die Mischung gut, der eine wollte es mehr hardcore, der andere lauschig warm wenn immer es ging. Bei den Preisen dort wird man außerdem nicht nur komfortabstinent, sondern überlegt sich mehrmals ob man denn jetzt unbedingt ein Bier für umgerechnet 7 Euro trinken muss. Also, zumindest hab ich mir das gedacht. Die anderen beiden haben einfach bestellt und sich nachher empört, als wär nur ausgerechnet dort so schweineteuer: “Man, das glaubst du nicht. Das kleine Bier hat 5 Euro gekostet.” – “Doch, glaub ich. Mit ein Grund, warum ichs hab sein lassen.” Ein bisschen back-to-the-roots halt im Endeffekt, auch wenn das nur im Hinblick auf unsere verwöhnt-hedonistische westeuropäische Lebensweise gelten kann, schätz ich.
Irgendwo hatten wir gelesen, die isländische Mentalität gegenüber Touristen ließe sich mit „distanzierter Freundlichkeit“ umschreiben. Fanden wir passend. Auch wenn die erste Interaktion so aussah: Am Flughafen angekommen, geht einer von uns zum Taxifahrer draußen vor der Tür.
„Excuse me, is it possible to pay with Euro? We are not sure if the airport is the right place to change money…“
– „What? You come to Iceland and worry about 2 Euros? Are you going to lose your house now?“
Wo genau is jetz die Freundlichkeit in „distanzierter Freundlichkeit“? Oder die Distanz?
Naja, wir haben dann Geld getauscht und nen anderen Taxifahrer erwischt, der schon mehr Freundlichkeit an den Tag gelegt hat. So freundlich, dass er in suizidal-rücksichtsvoller Weise sogar einer die Straße kreuzenden Katze das Leben gerettet hat durch ein Ausweichmanöver, welches im Gegenzug fast vier erwachsenen Menschen Kopf und Kragen gekostet hätte. Seine Erklärung hatte allerdings was für sich und stieß bei uns auf vollstes Verständnis:
„Yesterday I had my kids in the car and drove over a duck. I never want to have this situation again.“ Wir sind zwar nicht seine Kinder, aber ok, ich mag Menschen die Rücksicht nehmen. Rücksicht is besser als Vorsicht. Nee, andersrum. Nee, auch nicht.
Im Hostel, welches in den allermeisten Fällen wohl eher als Durchgangsstation zum oder vom Flughafen dient („it used to be for people seeking Asylum“), waren wir die einzigen auf weiter Flur, so dass wir den ersten Porridge des Urlaubs richtig zelebrieren konnten, bevor wir den Mietwagen abholten.

Wie inner Werbung. Marke verrat ich aber nich.

Wie inner Werbung. Marke verrat ich aber nich.

Dieser sollte uns gleich am zweiten Tag treue Dienste erweisen als wir über die reudigsten Pisten auf Abraten aller Allradfahrer und ausdrücklichem Verbot der Mietfirma (wie gut, dass meinen Blog niemand liest außer mir selbst) das wunderschöne Wanderparadies Landmannalaugar ansteuerten. Achso, ich will ja der Chronologie halber nix unterschlagen hier: Tag 1 bestand aus dem sogenannten „Goldenen Zirkel“, mit Phingvellir Nationalpark (Aufeinandertreffen der tektonischen Platten, erstes Parlament und Hexenverbrennung und so), Gullfoss Wasserfall (ähnlich viel Wasserdurchlauf wie bei den Niagarafällen, jaja) und Geysir, einem Geysir (und Menschen rund herum, die mit ihrem Finger auf dem Auslöser auf die riesige Ejakulation warten). War ja alles ganz schön, aber richtig toll kann es nirgendwo sein, wo Busladungen an Menschen aus- und wieder einsteigen, man Geld für die Benutzung der Toilette zahlen muss und lächerlich teure Snacks angeboten werden. Obwohl der Wasserfall, der war schon ziemlich geil.

Gullfoss

Gullfoss

Daher zurück zu Landmannalaugar (zum Glück muss ich das Wort nur schreiben und nicht aussprechen. Da hat je nach linguistischer Herkunft ziemliche Narrenfreiheit geherrscht). Berge wie mit buntem Mehl überzogen, Lavawüsten, Moosfelder… und heiße Quellen. Im Tal wartete ein dampfender Fluss, in den man seine von der Wanderung geschundenen Gliedmaßen tauchen konnte und aus dem man eigentlich auch nie wieder raus wollte. Schon auf dem Weg zurück zum Zelt sind mir die Füße einfach eingefroren. Was auch daran gelegen haben könnte, dass ich besonders lässig zurückspaziert bin, um hart zu wirken.

Landmannadingsbums

Landmannadingsbums

Inception: A photographer within a photo of a photographer

Inception: A photographer within a photo of a photographer

Unser internetaffines (freundlich ausgedrückt) Mitglied der Gruppe lotste uns am nächsten Tag (war dann nur noch ein halber Tag nachdem wir unser armes Auto wieder zurück über Stock und Stein peitschen mussten) zu einem Flugzeugwrack aus dem Zweiten Weltkrieg. Am schwarzen steinigen Strand hat es seine letzte Ruhestätte gefunden und wurde zum beschmieren und ausschlachten freigegeben. Trotzdem hatte der Anblick was surreales. Wie inmitten einer Mondwüste tauchte das Wrack plötzlich vor den brechenden Wellen des kalten Atlantiks auf.

Wo immer eine Kamera war, hielt er seine Fresse rein

Wo immer eine Kamera war, hielt er seine Fresse rein

Tag 4 bescherte uns dann einen unverhofften Sonnentag und eine unfassbar spektakuläre Wanderung auf einen der vielen Gletscher: Skaftafell. Was mit einem Spaziergang durch bunte Wiesen begann, endete mit einem steilen Aufstieg auf losem Geröll und durch pappigen Schnee. Ich hab was witziges in das Gästebuch aufm Gipfel geschrieben. Wer demnächst mal da is, kann es dann lesen, ne.

Aufm Weg runter

Aufm Weg runter

Nächstes Highlight: Jokulsalon (flacherweise von uns Friseursalon genannt, denn so wussten wir, dass wir über das gleiche sprechen), der bekannte Gletschersee, der übrigens auch als Drehort für einen Bond-Film hergehalten hat. Da wo Pierce Brosnan mit seinem Aston Martin durch den Eispalast brettert um die Halle Berry vorm Ertrinken zu retten, während der Bösewicht auf seinem Eisgefährt durch die Eisberge braust. Haareraufende Action. Hab ich erst paar Tage nach meiner Reise im ZDF-Montagskino gesehen und gleich wiedererkannt.

Dreckisches altes Eis

Dreckisches altes Eis

Der Eisbergsee markierte zugleich den östlichsten Punkt unserer Reise und von da an machten wir uns wieder auf den Rückweg in Richtung Reykjavik. Über den südlichsten Punkt der Insel, wenn wir schon dabei sind. So ein Kap bzw. ne Küste wie ich sie mir in Irland vorstelle. Ich war zwar noch nie in Irland, aber so muss es da sein: Rau, windig, regnerisch, bisschen grün und auch grau, und viele Felsen. Dort erzählte uns auch eine Frau, um deren Meinung wir eigentlich nicht explizit gebeten hatten, dass ihre Freunde einmal 900 Euro Strafe an die Mietwagenfirma zahlen mussten, nachdem diese per GPS nachvollziehen konnte, welche verbotenen Holperpisten befahren wurden. Nach dieser Info haben wir uns unverzüglich gegenseitig eingeredet, dass unser Gefährt sicherlich nicht im Besitz eines solchen Peilsenders ist. Womit wir glücklicherweise Recht behalten sollten.

Am Skogarfoss, einem ganz und gar eindrucksvollen Wasserfall nächtigten wir schließlich in einem Hostel, wo wir zuerst Kontakt zu einem menschlichen holländischen Wesen in Form einer längeren Konversation aufnahmen und sinnloserweise den Tag mit nem Tom Cruise Blockbuster beendeten. Weils halt möglich war. PayTV.

Da hätte sich Peter André mal drunter stellen sollen

Skogarfoss: Da hätte sich Peter André mal drunter stellen sollen

Die letzte Wanderung am darauffolgenden Tag erforderte uns einiges ab. Ein Stück echtes Abenteuer, als wir zu einer Hütte am Berg marschierten, knietief im Schnee, ohne Plan wie wir eine kleine Schlucht überwinden sollten, da der Schnee den Pfad nicht erkennen ließ. Wir probierten dann unser Glück mit den aufmunternden Worten meines Kumpanen: „Wenn wir das jetzt versuchen, widerspricht das allem, was ich jemals in den Bergen gelernt habe.“ Geil, los! Wir habens geschafft, nervös war ich aber schon. In der Zwischenzeit haben sich Schneesturm und praller Sonnenschein im Minutentakt abgewechselt. Unberechenbar, dieses Island.

Einer der besten Wow-Momente für mich

Einer der besten Wow-Momente für mich

Seht ihr? Keine Spuren vor uns!

Seht ihr? Keine Spuren vor uns!

Meine Fersen sahen danach jedenfalls aus wie fies gefoltert und entstellt, und unsere Wanderschuhe verströmten ein sinnliches Aroma im Auto auf der Fahrt nach Reykjavik, unserer letzten Station. Der letzte Tag hatte dann in etwa folgenden Ablauf: Porridge, klitschnass nach 2 Minuten im Regen, Auto nehmen, 10 Minuten später Auto wieder zurückfahren weil kein Parkplatz gefunden, kein Regen mehr, Museum, die gleiche Straße zum fünften Mal entlang gehen, Kuchen vertilgen, darüber klagen wie teuer alles is, trotzdem wieder delikat speisen, ins Kino gehen, zum Flughafen fahren und Auto irgendwo abstellen („Ihr könnt den Schlüssel einfach stecken lassen“. Aha!).
Mutter Natur hat uns einige neue Dinge gelehrt. Ich glaube, schon die Vikinger haben große Augen gemacht, als ihnen der sturmartige Wind das Pipi in unendliche kleine Partikel zerstäubte. Wie gut, dass es heutzutage Regenhosen gibt, die keine Spuren hinterlassen. Und was gabs noch? Achja: Regenbögen bis zum Erbrechen.