Plädoyer für mehr Gelassenheit

(Hinweis: dieser Text hat einen rein selbsttherapeutischen Zweck. Ja, ich rede mit mir selbst.)

Für unser aller Seelenheil schlage ich vor, wir bleiben ein bisschen ruhiger. Trotz der niederträchtigen Gemeinheiten, die uns auflauern und für die irgendwer Schuld haben muss, müssen wir Runterkommen vom dauerhaften Empörungszustand, der sich nämlich nicht mehr wie solch einer anfühlt, sondern eher wie eine düster eingefärbte Normalität, die uns alle wie ein sich anbahnendes Gewitter nervös macht.

Die Bemerkung, dass sich unsere gesellschaftspolitischen Problemlagen langsam aber sicher in eine die Gemeinschaft zersetzende Richtung bewegen, wird einem medial in verschiedenster Form und in steter Regelmäßigkeit aufgetischt. Das ist nicht so leicht zu verdauen, man stellt sogar fest, dass es einem irgendwie quer liegt wie ein fieser Furz. Bedient von tagesaktuellen Meldungen, die nunmal vorwiegend aus negativer Berichterstattung bestehen, ist es mit unserem inneren Frieden schnell dahin. „Bad news are good news“ und so. Kennt man.

Ich würde mich hüten, den (Leit-)Medien gezielte Stimmungsmache zu unterstellen, auf rein individueller kognitiver Ebene rütteln bad news aber nun eben doller am emotionalen Gerüst als positive. Meine eigenen Verarbeitungskapazitäten reflektierend, würde ich behaupten, eine Erfolgsmeldung ist kurz freudig notiert und gleich abgehakt, eine schlechte Nachricht, insbesondere wenn sie penetrant repetiert wird, setzt sich in der Birne fest und schürt im argen Fall latente Ängste.

Okkupiert von diesen diffusen Sorgen, fällt es einem Großteil der Menschen schwer, Dinge in einen größeren Kontext einzuordnen. Oder anders gesagt: Obwohl die überwältigende Mehrheit auf konkrete Nachfrage hin zum Schluss kommt, dass es ihr ziemlich gut geht, können wir uns wahnsinnig über bestimmte Sachen aufregen, deren Relevanz sich mitunter nach subjektiver Gemütslage richtet. Das ist soweit nicht sonderlich problematisch. Jeder Möchtegern-Fachidiot hat so sein Thema, wo er sich inhaltlich geborgen fühlt. Manches hingegen kümmert einen weniger. Und doch gibt es nicht wenige dieser Komplexbehafteten, die mit viel Überzeugung aber noch mehr Ahnungslosigkeit querschießen. Und warum ist der Ton dabei eigentlich so rau geworden?

Da komm ich wieder zum krumm sitzenden Furz. Auf der Mikroebene individueller Verarbeitungsmechanismen von gefühlten Bedrohungsszenarien, denen wir ausgesetzt zu sein scheinen, soll es jene geben, die ihn im stillen Kämmerlein ablassen, um unnötigen Kollateralschaden zu vermeiden. Andere hingegen drücken ihn ihrem Gegenüber feierlich ins Gesicht. Im Netz nennt man solche Pupser Trolle. Und die flatulieren viel. Ungestört und ohne Konsequenzen.

Im Netz steht durch barrierefreie Kommunikationsmöglichkeiten und die Abwesenheit sozialer Selbstkontrollmechanismen wie Scham oder Empathievermögen ein einfaches Ventil zur Verfügung, Ängste umzumünzen in emotionale Überschwungshandlungen, die die Empörungswelle dann tsunamiartig anschwellen lassen, und die Leidensgenossen nur noch zu reiten brauchen. Beiträge im eigenen Newsfeed scheinen dabei gleichzeitig so real, so nah und authentisch was das Erregungspotential gleichsam erhöht. Probleme von anderen werden plötzlich auch meine. Seltsamen Gruppierungen schenke ich ungewollt Beachtung. Social Bots gaukeln mir vermeintliche Relevanz der absurdesten Nischenscheiße vor. Ist die Welt wirklich plötzlich so weird geworden?

Naja, vielleicht war die schon immer so seltsam. Aber die ständige Sichtbarkeit komischen Krams anderer Leute, die vorher hinter irgendeinem Trekker ihre Paranoia geschoben haben, steigert den Erregungs-Highscore nochmal um ein weiteres Level. Und beim zweiten oder dritten Pappenheimer, der so ähnlich denkt, bildet sich die trügerische Gewissheit heraus, der Welt mitteilen zu müssen, wie es WIRKLICH aussieht. Und da man das im virtuellen Raum so wunderbar selbstreferentiell zelebrieren kann, warum im echten Leben hinterm Berg halten?

Kann es vielleicht sein, dass online einseitige Kommunikationsentgleisungen eingeübt werden, die dann tourettemäßig auf der Straße und im Alltag ihre Fortsetzung finden?

Das wäre die These dieses furzlastigen Beitrags. Die Botschaft wäre wiederum: Lasst es doch einfach mal! Jeder Jeck is anders. Leben und leben lassen. Solange die Freiheit der anderen nicht beschnitten wird, kannste doch einfach dein Ding machen, und ich mach meins. Bisschen weniger missionieren täte gut. Mal durchatmen und kurz reflektieren, wenn es doch eigentlich um nix geht, ist auch eine starke Entscheidung.

Es ist etwas Überwindung dabei zu akzeptieren, dass es immer Leute geben wird, die anderer Auffassung sind und wir zwangsläufig einen Kompromiss finden werden müssen, wenn eine Streitsache dann doch einmal unser beider Leben berührt. Ansonsten nicht jedes belanglose Ereignis hämisch kommentieren und als Ausdruck all dessen betrachten, was in der Welt schief geht. Kleine Probleme können auch einfach mal kleine Probleme bleiben.

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