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Das epische Limit

In manchen Regionen ist man nicht mit nennenswerten Radiosendern gesegnet. Immer wenn ich mich mal wieder nach NRW verirre beispielsweise, erinnert mich das sich ständig wiederholende Geplärre auf 1live daran, dass gute Musik im Radio leider kein Menschenrecht ist. Derorts bin ich sogar soweit gegangen, dass ich meine Devise „Im Radio will ich nicht vollgelabert werden, sondern Musik hören!“ nochmal überdacht und dabei WDR5 schätzen gelernt habe. Das entspannt mich. Im Gegensatz zu dem EDM-Pop-Getrashe, das als hip und fresh daherkommen will, indem man irgendwie auf den „Electro“-Zug aufspringt und nen angesagten Rapper belangloses Zeug quasseln lässt. Von der Sorte gibt’s auch reichlich, wenn man auf einem Bauernhof in Tirol das alte Küchenradio anschaltet, wie ich kürzlich. Das Teil hatte noch einen Schieberegler für die Lautstärke und ein Doppelkassettendeck.

Wenn man dem stressigen Mainstream-Genöle darin entkommen will, bleibt einem die Alternative zwischen lokaler Volksmusik, Aprés Ski und unverständlichem Geblubber. Das Beste war irgendwie noch was, wo sie All-Time-Favourites gespielt haben, 80er und so. Was jeder kennt. Solche Sender gibt’s ja dann doch überall. „Das Beste der 80er, 90er, und von heute [Echo: heute heute heute]!“ (Dabei frag ich mich immer, was mit den 2000ern ist!? Waren die so scheiße? Dass man damit noch nicht mal werben kann?!)

Gleich nach Tina Turners „Simply the Best“ und diesem Turn arouuuuund! Blalala i need you more than ever bla“ kam dann „Bilder von dir“ von Laith Ala-deen, ein typischer Radiosong auch. Hört man immer, ständig, überall. Kennt sogar schon den Text und summt ihn mit, obwohl man keinen Schimmer hat, wer das singt, warum der das tut, und ob ihm nicht mal jemand hätte sagen können, dass das nervt. Man will das gar nicht mit summen. Weil mans eigentlich doof findet, das Lied. Wir wissen: Es appelliert an unsere niederen emotionalen Instinkte und berührt uns, ohne dass wir darum gebeten hätten.

Der Grund ist: das epische Limit. Es wird in seiner Bedeutung als „Limit“, also Grenze, missinterpretiert, indem dieses, eigentlich als Ausnahmezustand anzusehen, in diesem Fall jedoch zur Regelmäßigkeit erklärt wird. Mit anderen weniger gebürsteten Worten: Der emotionale Klimax des Songs ist die ganze Zeit über. Und das kann ich nicht ertragen. So wie bei Katastrophenfilmen von Roland Emmerich, wo die Welt die ganze Zeit überm Kopf und unter den Füßen gleichzeitig wegbricht. Zu lange am epischen Limit. Oder die Guetta-Show mit dick Laseraction, so lang bis die Synapsen kokeln. Soviel komprimierter Trancesound und Crowd-Gejubel vom Band, dass man meint, die Welt könne nicht mehr geiler sein als in diesem einen Moment. Zu viel episches Limit… Drama, Drama, Drama, Ekstase. Deswegen mochte ich auch Florence and the Machine nie. Hat mich innerlich zu doll aufgewühlt.

Alles zusammen funktioniert natürlich gut. Wer kennt es nicht: Die finale Kussszene im Hollywood Blockbuster unterlegt von Mariah Careys zitternder Kopfstimme. Da weiß man: Alles ist gut! Und verdrückt ein kleines Kullertränchen während man versucht, seinen bebenden Unterkiefer zu überspielen. Aber das geht halt nur einmal. Dann ists cool! Aber so eine an den Nerven zehrende emotionale Hardcore Achterbahnfahrt ohne eine harmlose Gerade, bei der man mal Luft holen kann, halt ich nicht aus. Dann fühl ich mich so wie James Franco „127 Hours“, wo er sich seinen Nerv mit seinem stumpfen Taschenmesser zerrupft. Ich mag es schon, wenn Musik etwas in mir auslöst und meine Psyche kitzelt. Es darf einem aber nicht so brutal in die Fresse gestopft werden. Subtilität ist Trumph, Simplizität oftmals ihr gern gesehener Sidekick. Mal nen Gang runter schalten, denn die Coolness schwingt nunmal im Subtext mit, wie Moritz Bleibtreu schon zu wissen glaubte.

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