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Mfg – Mit freundlichen Grüßen

Mfg – Mit freundlichen Grüßen

Wenn ne Mitfahrgelegenheit nicht viel schlimmer laufen kann…

Oder auch: Schicksalsstunden eines jungen Mitfahrers

Ein flüchtiger Bekannter bot mir an, mich am Vorweihnachtstag im Auto von Berlin mit nach Köln zu nehmen. Bei manchen Entscheidungen merkt man recht schnell, dass sie falsch waren. Der Ablauf in chronologischer Reihenfolge:

20 Uhr: Ein Anruf. M (so nenn ich ihn) teilt mir mit, dass es bald losgehen soll. Mit genaueren Infos hält er sich stets zurück. Ich muss ihm die meisten konkreten, aber durchaus hilfreichen Infos aus der Nase ziehen. Der Mietwagen, den sie gemietet hätten, sei am Flughafen Tegel abzuholen. Am besten träfe man sich also dort. Da ich einmal durch die ganze Stadt gurken muss, um dort hin zu kommen, mach ich mich also frühzeitig auf den Weg, weil warten lassen wär ja blöd, wenn man schon mitgenommen wird. Ich würde gleich 2 Leute warten lassen, denn er fährt mit seiner Freundin A.

Ich schreibe ihm, dass ich um 22 Uhr vor Ort sein sollte und hoffe, dass sie nicht auf mich warten müssen. Keine Reaktion. Meine Bahn hat Verspätung, ich bin paar Minuten spät dran, renne zum Mietwagenverleih-Center-Ding.

22 Uhr: Viele bunte Leuchtreklamen und Mitarbeiter in ähnlich bunten Kostümen, aber kein M. Ich rufe ihn an. Wo sie denn seien. Trockene Antwort: „Wir brauchen noch ne Weile. Aber geh schonmal zum Schalter und warte dort, damit es gleich losgehen kann.“ Das mach ich. Und warte. Und warte.

23 Uhr: M schlufft herbei und reiht sich am Schalter ein. Eigentlich ist nur eine Person vor ihm, aber es dauert ewig. M ist an der Reihe und: Es dauert ewig. Weils so ewig dauert, hört M scheinbar nicht mehr zu, denn als er mit dem Schlüssel in der Hand zum Aufbruch winkt, gehen wir planlos Richtung Parkgarage. Er hat keine Ahnung, dass es mehr Etagen gibt als nur eine. Auf Ebene 2 irren wir rum, während M fleißig über die Unfähigkeit des Mietwagenverleih-Mitarbeiters meckert. Ich sach: „Drück doch ma auf den Knopf vom Autoschlüssel, irgendwo wird’s dann schon piepen“. Macht er aus Protest nicht, scheint mir. Weil ich klüger bin als er oder so. Was weiß ich. Stattdessen vergleicht er Nummernschilder.

Wagen gefunden. Ein Fiesta. Is mir ja im Grunde wurscht, was fürn Auto, aber wie er mir die Fahrt im Vorhinein beschrieb, klang das eher so, als bretterten wir in ner Limosine nachts über die Autobahn. Mit reichlich Platz und Konfort, zügig und reibungslos. Hm ja, das wärs gewesen.

Stattdessen erstmal diverse Runden ums Auto gedreht, um eventuelle Kratzer ausfindig zu machen, die der hinterhältige Verleih uns verschweigt. Ich Trottel find dann auch noch einen aufm Dach und teil ihm meinen Fund auch noch mit. Heißt: Nochmal zurück zum Schalter und die Entdeckung mitteilen. Ist dem Typne reichlich wurscht. Wärs mir auch gewesen. Aber laut M sind alle böse und zocken einen hinterher ab.

Die Frau ruft an. A will wissen, wo wir bleiben. Sie sitzt nämlich seither im DriveNow Auto mit einer außerordentlich großen Menge an Gepäck. Aufgrund der Ladung sind sie mit nem Leihauto zum Flughafen gefahren. Mit dem Mietwagen zum Mietwagen quasi.

Wir also zum DriveNow Parkplatz, um umzupacken. A hat sichtlich keine gute Laune. Sie scheint auch jetz erst zu erfahren, dass ich mitfahre. Ihre Laune wird nicht besser. Ich merke schon, dass irgendwie Spannung in der Luft liegt. Als flockiges Kerlchen biete ich meine Hilfe beim Umpacken an. Ich trage einen Wäschekorb voll mit Schuhen in den Fiesta. Wie lange seid ihr weg? 4 Tage? Ein Korb voll Schuhe? Ähhh. Ich stell mal keine doofen Fragen. Als sie realisieren, dass sie mittlerweile für 2 Mietwagen gleichzeitig löhnen, werden sie erstaunlicherweise nicht entspannter.

Ok, Gepäck stapeln ist letztlich auch geschafft, und es kann losgehen. Theoretisch. Noch schnell den DriveNow abschließen. Geht nicht. Will nicht. Irgendein Problem. Also Kundenservice anrufen. Dieser löst das Problem, aber trotzdem steht für die beiden fest: Alle unfähig. Unfähige Mitarbeiter weit und breit.

23:30 Uhr: Ich quetsch mich hinten rein. Meine 190cm sollten A nicht entgangen sein, die sichs vorne gemütlich macht. Ich warte auf ein obligatorisches „Haste genug Platz da hinten?“, aber das kommt nicht. Also mach ich subtil auf mich aufmerksam indem ich meine Knie links und rechts am Beifahrersitz vorbeischiebe, so dass sie A im Prinzip schon als Armlehne benutzen könnte, während M sämtliche Einstellungen im Cockpit auf Wunschposition bringt. Beim rumjustieren kollidiert er mehrmals mit meinem Knie was schon halb überm Schaltknüppel hängt, so dass ich irgendwann mein Ziel erreicht habe und der Sitz vor mir kommentarlos ein Stück nach vorne rutscht.

Juchei, wir fahren! Wir rollen los, verlassen den Flughafen und an der ersten Abbiegung, die eine Entscheidung verlangt, welche Richtung man einschlägt, bleiben wir abrupt in der Mitte stehen. Wo lang eigentlich? Wo müssen wir hin? Alter, guckt man sowas nicht vorher nach? Nee, wir bleiben in der Mitte der Straßen stehen und lassen uns von hinten anhupen, während M den Schuldigen gefunden hat: Das Auto. Kein Navi. „Welches beschissene Auto hat heutzutage kein Navi?“. Berechtigte Frage, aber auch wenns eins gehabt hätte, hätte man es VOR Fahrtantritt mit Infos füttern müssen. Spätestens da hätte man dann gemerkt: Oh, kein Navi.

Wir quälen uns mit allerlei Gequengel auf die Autobahn, um an der ersten Tankstelle abzufahren. Kaffee kaufen. M ist soooo müde. Ja toll, nu fahr endlich.

24 Uhr: Wir sind tatsächlich am fahren und passieren den Stadtrand. Seit Fahrtantritt geht’s vorne nonstop ums Thema Selbstbeteiligung. Die Mietbedingungen enthalten nämlich 1000 Euro Selbstbehalt bei Schäden, erfahre ich. Eine Frechheit, findet M. Und A bekräftigt, dass sie das bei der Auswahl des Fahrzeugs extra ausgeschlossen habe. Kann doch alles nicht sein. Ja, ist aber so und ich versteh nicht, was man da noch ne halbe Stunde diskutieren muss.

Und sowieso, ein Fiesta! M ist sauer. Mit dem kann man nicht schnell fahren, weil es dann so laut wird, meint M. Was bedeutet, dass wir mit 120 nachts über die Autobahn juckeln. Vorbei die Vorstellung einer baldigen Ankunft schon jetzt. Ein Fiesta…! „Sonst hatten wir immer nen Polo. Verstehe nicht, warum wir diesmal keinen bekommen haben.“ Ich schon, aber was ich nicht versteh ist, was an nem Polo soviel besser sein soll als an nem Fiesta. Ich behalts für mich.

Selbst mit 120 scheint die Herausforderung, eine der drei Spuren zu halten, nicht zu meistern. M schlingert auf 2 Spuren gleichzeitig umher, stets die gestrichelten Linien unterm Auto. Ist er wirklich so müde oder ist das einfach sein Fahrstil? Keine der beiden Optionen kann mich beruhigen.

Der Sitzkomfort ist M ein Dorn im Auge. Hauptmakel ist, dass man die Kopfstütze nicht nach vorne verschieben kann. Hab ich noch nie bei einem Auto gesehen, dass das geht. Hoch und runter, ja. Aber nach vorne? Doofer Fiesta! Ich frag ihn, ob es nicht daran liegen könne, dass sein Sitz im 45Grad Winkel nach hinten gekippt ist und er schon halb liegt. Nein! Die Sitzposition sei nicht das Problem. Die sei gut. So gut, dass M mehrere Handtücher zusammenrollt und sich in Rücken und Nacken klemmt. Wow, super Lösung, total ergonomisch und auch überhaupt nicht bescheuert.

Ich suche nach Ablenkung. Ich hole meinen Laptop raus und sortiere meine Dateien. Wann, wenn nicht jetzt?! Plötzlich haut M in die Bremsen. „Oh, ich dachte da sei eine Blitze. Aber hier ist ja eh keine Geschwindigkeitsbegrenzung.“ Aha, und warum soll dann da ne Blitze sein?! Auch diese Frage behalte ich für mich.

M ist so müde. Also Fahrerwechsel. Vielleicht gleich noch tanken, wenn wir eh schon am Rastplatz halten? Nee, meint M, brauchen wir nicht.

Sie fährt auch nicht besser. Aber die Schlangenlinien halten sich in Grenzen. Ich suche das Gespräch, aber das ist unbefriedigend, da es immer damit endet, dass er geil ist und die anderen nicht. Also sortiere ich weiter und M schläft.

3 Uhr: Ich schaue von meinem Bildschirm auf und stelle fest, dass wir munter der A2 folgen. Immer geradeaus. Ich frage ob es sein kann, dass wir die Autobahn hätten wechseln müssen. Ich weiß es ganz genau, da man von Berlin nach Köln im Grunde nur einmal die Autobahn wechseln muss, und zwar von der 2 auf die 1, bei Dortmund. Dortmund is aber schon ne Weile hinter uns.

M wacht auf, schaut auf sein Handy-Navi und sagt: „Öh, nee, das Navi sagt, wir müssen in 15km abbiegen“. Ich denke: Klar, wenn man eine Ausfahrt nach der anderen verpasst, dann ist es immer die nächste, die man nehmen soll. Ich behalts für mich.

Ach, und die Tankanzeige blinkt schon seit geraumer Zeit.

4 Uhr: A tuckert mit 80 über die Autobahn, LKWs überholen uns. Ich glaub, sie will spritsparend fahren, in der Hoffnung, dass bald eine Tanke kommt. Ich schaue aus dem Fenster und sehe das nächste Aral-Schild vorbeiziehen. Abfahren? M meint, wir sollten mal abfahren. Clever. Sie sagt, in 3km käme ein Rastplatz mit Tankstelle. Na die 3 Kilometer schaffen wir noch. Ein kleiner Witz wird gemacht, als wir abfahren, denn die Erlösung scheint nah. Doch 10 Sekunden später is die Stimmung zum zerreißen. Keine Tankstelle. Nur ein Restaurant. M: „Was is das für ein Scheiß? Das hab ich ja noch nie erlebt: Ein Tank & Rast ohne Tankstelle!“ Habt ihr denn nicht auf die Symbole geachtet, frag ich mich. Ne Zapfsäule heißt: Tankstelle. Keine Zapfsäule heißt: Keine Tankstelle. Ich behalts für mich.

„Ich fahr weiter!“ ist M entschlossen, als ändere das was an der Menge an Sprit in unserem Auto. A sucht über Google Maps eine Tanke in der Nähe. Wir fahren an der nächsten Ausfahrt raus und finden die Tanke. Geschlossen! Kann schon mal passieren, so um 4 Uhr nachts im letzten Kaff.

Ich sehe, dass wir ein paar Kilometer vor Remscheid sind und weiß genau, dass es an der Autobahn dort ne Tankstelle gibt. Diesmal behalt ichs nicht für mich.

„Aber auf der Autobahn stehen bleiben, wär richtig scheiße. Das wird dann richtig teuer!“ ist M besorgt. Ich versteh das vollkommen, kann aber keine andere Lösung präsentieren. „Was solls, wir müssen es probieren.“

Wir fahren wieder auf die Autobahn. Wir verlassen die Beschleunigungsspur und 300m später rollen wir auf die Standspur. Das wars, kein Sprit mehr. Irgendwie passt es. Wenn sowas mal passieren musste, dann jetzt. Ein Scheiß nach dem nächsten, da war das im Grunde nur logisch.

Das war natürlich auch der Trigger, der das latente Rumgeätze der beiden in eine handfeste Schreierei ausarten lässt. A legt los: „Ich hab dir gesagt, wir sollen tanken. Aber nein, du weißt es natürlich besser.“ Und irgendwann wird’s tiefer: „Ich pack alles zusammen, kaufe alle Geschenke für deine scheiß Familie, kümmer mich um den Wagen, und du bist zu blöd zum tanken! Ich könnt so kotzen.“ Seine Antwort ist in 90% der Fälle: „Ich versteh dich ja. Aber es bringt doch jetzt nichts, sich aufzuregen. Das machts nicht besser.“ Stimme ich ihm grundsätzlich zu, jedoch sagt er das nur, um von seiner eigenen Unfähigkeit abzulenken. Untermauern tut er das noch, indem er „den Westen“ beschuldigt, keine Tankstellen zu haben. Ich bin durchs australische Outback gefahren und bin nie ohne Sprit liegen geblieben. Diese Randnotiz behalte ich für mich.

ADAC Mitglieder sind die beiden natürlich nicht. Und das wird alles unheimlich teuer. „Ruf deine ganze scheiß Familie an, ist mir scheißegal. Klingel die wach und hol uns Hilfe.“ bittet A.

Ich so: „Können wir vielleicht erstmal die Warnblinkanlage anschalten? Die LKWs, die an uns vorbeidonnern, machen mich ein bisschen unruhig.“ Auch das Warndreieck wird bald in seiner Funktion entdeckt.

M hat einen seiner Brüder erreicht. G soll uns nen Kanister Benzin bringen.

5 Uhr: Nach einer Stunde ruft M seinen Bruder an. Wo steckt er bloß? G war wohl ein bisschen aufgeregt und hat im Eifer des Gefechts seinen eigenen Wagen mit dem falschen Sprit vollgetankt. Ups. Wagen stehenlassen und den der Frau nehmen. Alle 3 Abfahrten zu früh nehmen und uns nicht finden. Nach mehreren Telefonaten dann doch endlich.

G ist ob seines Missgeschicks eigentlich recht gut gelaunt. A und M nicht so. Ich schweige nach wie vor und denke mir, dass schon längst mal eine Entschuldigung fällig gewesen wär, oder zumindest eine Bekundung des Bedauerns. Mein Entschluss steht fest: Keine müde Mark geb ich denen.

7:30 Uhr: Bringt mich heim, lasst mich raus und kommt gut nach Hause. Traute Weihnachten! Idioten!

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